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26.07.2023 | Automobilwirtschaft | Gastbeitrag | Online-Artikel

Diese Potenziale bietet das Metaverse für die Autobranche

verfasst von: Jens Sulek, Marko Thorhauer

6 Min. Lesedauer

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Kollaboratives Arbeiten, Digital-Twin-Technologie sowie virtuelle Vetriebs- und Marketingwege: Das Metaverse bietet unzählige Möglichkeiten. Doch welche davon haben auf lange Sicht wirklich Potenzial in der Autoindustrie? 

Interaktive, immersive virtuelle Welten ("Metaverse") werden von vielen Experten als ein zentraler Baustein der Zukunft des Internets gesehen. Das Metaverse ist neben künstlicher Intelligenz (AI) einer der großen Digitaltrends des Jahres – und keineswegs tot, sondern quicklebendig.

Die Automobilindustrie nutzt bereits länger Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR)-Technologie vor allem in der Produktentwicklung und -präsentation, doch die aktuellen technologischen Entwicklungen gehen weit darüber hinaus – und zeigen neue, erfolgsversprechende Einsatzszenarien und enorme Marktpotenziale auf. 

Wo liegen die Chancen, welche Strategien sind nötig, um die Möglichkeiten des Metaverse im Web3-Kontext, in Kombination mit Blockchain, Non-Fungible Token (kurz NFT), AI und anderen Entwicklungen zu nutzen und strategische Wettbewerbsvorteile zu erlangen? 

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Was ist das Metaverse?

Der Begriff "Metaverse" umfasst eine große, heterogene Anzahl von Technologien, Anwendungen, Plattformen und Nutzungsszenarien zur Produktion und Rezeption interaktiver räumlicher Welten, und wurde vor allem von Meta (alias Facebook) geprägt. Andere Player wie Apple sprechen von "Spatial Computing" oder dem "Omniverse" (Nvidia).  

Analysten sehen bis 2030 ein weltweites Marktpotenzial der Metaverse-Ökonomie von 600 bis 900 Mrd. US-Dollar jährlich. Große Tech-Konzerne wie Nvidia, Meta, Apple, Epic, Unity und andere investieren entsprechend Milliardensummen in die technologische Entwicklung. Globale Brands wie Nike sind bereits mit Commerce-Strategien im Metaverse erfolgreich. 

Während erste solitäre Ansätze immersiver, webbasierter Umgebungen schon Anfang der 2000er Jahre auftauchten (zum Beispiel Second Life), begründet sich das aktuelle Momentum auf fundamentalen Entwicklungssprüngen in 3-D-Technologie, Qualität, Bandbreite, Design, Connectivity und vor allem verändertem Nutzerverhalten. 

Metaverse trifft auf Digital Natives

Heute trifft das (kommerzielle) Metaverse auf eine riesige Zielgruppe junger, global vernetzter Digital Natives, für die virtuelle Welten ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens sind – die Gaming-Industrie schafft die Basis für die Adoption immersiver Technologien in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen. Roblox, Fortnite oder League of Legends sind die Plattformen, in denen die Generation Z heute ihre Zeit verbringt, kreativ ist, Kontakte knüpft – und Business macht. 

Übrigens: Das räumliche 3-D-Metaverse wird hauptsächlich zweidimensional genutzt (Smartphones, Laptops, etc.) – aktuell haben VR/AR-Devices noch keinen Massenmarkt erreicht, sind aber am POS oder in professionellen Produktionsumgebungen bereits etabliert. Nach der Präsentation von Apples hochauflösender Vision Pro Brille im Frühsommer 2023 erwarten Experten aber einen starken Entwicklungsschub bei VR/AR und Mixed-Reality-Endgeräten.

Potenziale für die Automobilindustrie

Auch die Autoindustrie erforscht das Metaverse als neuen digitalen Touchpoint innerhalb integrierter Employee-, Customer- und Commerce-Experiences. Exploriert werden neue Wege für kollaboratives Arbeiten, neue Ansätze in Entwicklung und Produktion sowie virtuelle Vertriebs- und Marketingwege. 

Die sichtbarste Entwicklung zeigt sich im Bereich Marketing, Sales und Service: Immersive Umgebungen lassen sich als virtuelle Showrooms nutzen und zur Konfiguration und Personalisierung von Fahrzeugen einsetzen. Virtuelle Testfahrten in hyperrealistischen Echtzeitumgebungen sind möglich und machen so den Konfigurator zum interaktiven Game. Auch ist die Erstellung von Marketing-Assets wie Imagefilmen und Produktfotos in virtuellen Umgebungen schon weit fortgeschritten. Mithilfe von VR vermischt sich auch im realen Showroom die virtuelle mit der realen Welt – wenn Kunden in einem Testwagen Platz nehmen und per VR-Brille ihr persönlich konfiguriertes Auto in Augenschein nehmen. 

Einige Automobilmarken schaffen immersive Erlebniswelten, um die Brand gegenüber jungen Zielgruppen attraktiver zu machen – und die eigene Zukunftsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Als Beispiel wären hier BMW, Mini oder Škoda zu nennen.

Verlagerung von Kaufprozessen ins Metaverse

Der nächste Schritt ist die Verlagerung von Kaufprozessen ins Metaverse, von der virtuellen Beratung gehen Überlegungen hin zum Kaufabschluss und zu digitalen Produkten. Käufer können bereits jetzt einen digitalen Zwilling ihres Fahrzeugs erwerben, der als NFT über eine Blockchain gesichert ist. Im Metaverse ist das virtuelle Fahrzeug dann "Spiegel" des realen Fahrzeugs und kann in den After-Sales, Service- und Resale-Prozess integriert werden. Gleichzeitig wird es zur Wertanlage, es könnte personalisiert, in Gaming-Erlebnisse integriert und sogar eigenständig weiterverkauft werden. 

Limitierte, rein virtuelle Fahrzeugmodelle sind als Brand Extension vorstellbar und könnten in einer zunehmend digitalen Welt zum Business werden. Ebenso könnten sie natürlich neue Brand Communities zusammenführen. Andererseits können bereits jetzt virtuelle Welten das reale Fahrerlebnis erweitern, ein Beispiel wäre hier "Holoride" von Audi.

Interaktiv testen und dezentral Onboarden

Daneben spielen Metaverse-Anwendungen jetzt schon in der Entwicklung, im Design und Prototyping von neuen Produkten, aber auch bei Gebäuden, Produktionsanlagen ("Digital Twin"), Fertigungsabläufen, Messeauftritten oder der POS-Gestaltung eine große Rolle. Bevor große Investitionen getätigt werden, kann man kostengünstig physische Objekte und Räume interaktiv testen – und weiterentwickeln.

Immersive Umgebungen erleichtern darüber hinaus auch das dezentrale Onboarding und die Schulung neuer Mitarbeiter. Konferenzen und Networking-Events sind digital deutlich günstiger und können auch durch KI-basierte "Concierges" unterstützt werden. Durch "Telepräsenz" mit Avataren verspricht man sich emotionale Verbundenheit und effektives Socializing sowie Community Building. Daten- und Produktvisualisierung im 3-D-Raum eröffnet zudem neue Gestaltungs- und Analysemöglichkeiten.

Klare Strategie nötig

Doch nicht zu unterschätzen sind die Herausforderungen, die der Schritt ins Metaverse erfordert. Denn die Entwicklung, Umsetzung und der Betrieb von Metaverse-Anwendungen benötigen erhebliche Ressourcen und Expertise. Und somit immer auch interne Überzeugungskraft für erste POCs oder Strategieentwicklungen.

Eine nahtlose und nachhaltige Integration immersiver Erlebnisse in die Customer Journey ist dabei entscheidend für eine erfolgreiche Adoption. Es braucht eine klare Strategie – die aber auch so offen gestaltet ist, dass die zu erwartenden technologischen Entwicklungen der nächsten Jahre nachvollzogen werden können.  

So wird es nicht mehr lange dauern, bis Kunden ihr Traumauto in einem virtuellen Konfigurator Probe fahren können, ohne die Couch zu verlassen. Die kompetente Beratungs-KI auf dem Beifahrersitz hat auf jede Frage die passende Antwort, schlägt personalisierte Routen vor und macht sogar ein Angebot für den alten Wagen.

Experience Design entscheidet über Kundenerfolg

Dennoch: ein Teil der Zielgruppe ist aktuell noch relativ weit vom Metaverse entfernt: Das Durchschnittsalter von Neuwagenkäufer in Deutschland liegt bei über 52 Jahren. Bei jüngeren Käufergruppen und Markenfans wird zunächst eine höhere Offenheit gegenüber immersiven Angeboten zu erwarten sein. 

Generell können sich jedoch laut einer McKinsey-Studie (2022) bis zu 48 % der Befragten vorstellen, in den nächsten fünf Jahren im Metaverse shoppen zu gehen. Zwei Drittel würden sich über ein digitales Erlebnis mit ihren Lieblingsmarken freuen. 

Die neuen, virtuellen Welten entwickeln sich rasant. Die Chance sollte von der Automobilindustrie genutzt werden, denn das Auto eignet sich als emotionales Produkt perfekt für Metaverse-Anwendungen. Aber: Nutzungsszenarien sollten in der Customer Journey eng verknüpft mit Connected Services und Mobilitätslösungen gedacht werden. Denn letztlich entscheidet das Experience Design, nicht die Technologie, über den Kundenerfolg. 

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