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Erschienen in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching 3/2022

Open Access 01.08.2022 | Buchbesprechungen

Interkulturelle Kompetenz in Beratungsberufen

verfasst von: Sabine Bertram

Erschienen in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching | Ausgabe 3/2022

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Stefan Schmid: Beratungskompetenz für eine globalisierte Gesellschaft – Kultur, Globalisierung, Migration. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2021, 108 S., 15,00 €.
Im Jahr 2020 lebten laut Mikrozensus 2020 allein in Deutschland 21,9 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund. Auch sind zahlreiche Unternehmen international vernetzt, sodass oftmals kulturelle Diversität die Zusammenarbeit prägt. Für Berater:innen ist es deshalb ausgesprochen sinnvoll, kulturelle Prägungen in Beratungsprozessen besonders zu berücksichtigen. Das zeigt Stefan Schmid in seinem Buch, das in der Reihe „Beraten in der Arbeitswelt“ erschienen ist. Kulturelle Unterschiede wirken in einem besonderen Maß in Beratungsprozesse hinein – und zwar auf allen beteiligten Ebenen. Der Autor skizziert in den Kapiteln 1 und 2, wie groß die Relevanz von Interkulturalität im Beratungskontext ist. Im folgenden Kapitel 3 legt er die inhaltliche Basis durch die Darstellung verschiedener Modelle interkultureller Kompetenz. Den Hauptteil des Buches bilden die Kapitel 4 und 5, in denen der Autor die Leser:innen anleitet, Kulturdimensionen zu reflektieren sowie die möglichen Auswirkungen von Migrationsprozessen auf ein Individuum nachzuvollziehen. In den abschließenden Kapiteln 6 und 7 formuliert er konkrete Empfehlungen für die Beratungspraxis.
Der Autor begleitet die Leser:innen in seinem Buch praxisnah durch einen umfassenden Reflexionsprozess. Er skizziert gleich in Kapitel 1 verschiedene Beratungssettings, in denen kulturelle Aspekte bewusst oder unbewusst eine Rolle spielen, und veranschaulicht so den Theorie-Praxis-Transfer. Dieser praxisorientierte Ansatz zieht sich durch das gesamte Buch. Anhand vieler Fallbeispiele legt der Autor sehr differenziert dar, in welch großer Varianz Interkulturalität ein Thema im Beratungsprozess sein kann, explizit in der Form, dass z. B. ein interkulturelles Team Probleme in der Zusammenarbeit entwickelt; implizit z. B. in der Form, dass interkulturell unterschiedliche Sozialisationserfahrungen zu ganz unterschiedlichen Erwartungen an „gelingende Beratung“ führen können.
Berater:innen benötigen nicht nur eine geschulte Wahrnehmung, sondern auch grundlegendes Wissen über kulturelle Unterschiede. Verschiedene wissenschaftliche Modelle wie Kulturstandards oder Kulturdimensionen, die eine Kategorisierung vorgenommen haben, fließen vor allem in den Kapiteln 4 und 5 in das Buch mit ein. Die bisweilen sehr holzschnittartigen Modelle können Gefahr laufen, kultur- oder gruppenbezogene Vorurteile zu vertiefen. Dagegen gelingt es dem Autor, klar und differenziert aufzuzeigen, wie sich unterschiedliche Erfahrungshorizonte z. B. in Bezug auf Macht, Hierarchie oder Zeitverständnis in der Beratung auswirken können. Die Leser:innen werden angeregt, die Gestaltung von Beratungsprozessen um interkulturelle Aspekte zu erweitern. Schmid belässt es jedoch nicht dabei, sondern rückt den Fokus immer wieder auf die Person der Beraterin bzw. des Beraters. Denn das Gelingen von Beratungsprozessen hängt entscheidend davon ab, ob Berater:innen sich in ihrer professionellen Rolle über die Lebensspanne hinweg als Lernende begreifen und entwicklungsoffen bleiben. Dazu gehört auch das Konzept der „kulturellen Demut“, das Schmid in folgendem Satz zusammenfasst: „Die Grundannahme ist: ‚Ich weiß, dass ich wenig weiß, und ich möchte verstehen, wie sich dieses Thema für meine(n) Klient:in darstellt‘.“ (S. 21). Dies schließt mit ein, eigene Vorurteile wahrzunehmen, diese beständig zu hinterfragen und einen reflektierten Umgang damit zu entwickeln.
Hervorzuheben ist die umfangreiche Auswahl an interdisziplinärer Referenzliteratur, die der Autor als Grundlage seiner Ausführungen verwendet hat. So zeigen z. B. Erkenntnisse der interkulturellen Therapieforschung, wie elementar sich die Haltung der beratenden Person auf den Erfolg des Prozesses auswirkt, während Ergebnisse der kulturvergleichenden Sozialforschung den Blick für Kulturdimensionen öffnen. Der Autor, selbst Professor für interkulturelle Psychologie und Wirtschaftspsychologie an der FOM München und zugleich Lehrcoach und zertifizierter Senior Coach (BDP), verknüpft diese unterschiedlichen theoretischen Perspektiven zu einem praxisnahen Buch. Es richtet sich an Berater:innen, die sich nicht in erster Linie als interkulturelle Coaches verstehen, sondern ihre Klient:innen in ihrer Komplexität erfassen wollen. Zugleich eignet sich dieses Buch für Führungskräfte, die mehr Verständnis für ihr Team sowie Handlungsoptionen für Diversität in unterschiedlichen Settings entwickeln wollen. Beide Zielgruppen werden angeregt, ihre eigene Haltung kritisch in Bezug auf Vorurteile, Alltagsrassismen und kulturelle Kategorien zu überprüfen und sich zugleich als lebenslang Lernende zu verstehen.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Interkulturelle Kompetenz in Beratungsberufen
verfasst von
Sabine Bertram
Publikationsdatum
01.08.2022
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Organisationsberatung, Supervision, Coaching / Ausgabe 3/2022
Print ISSN: 1618-808X
Elektronische ISSN: 1862-2577
DOI
https://doi.org/10.1007/s11613-022-00779-y

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