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12.12.2023 | Kapitalmarkt | Schwerpunkt | Online-Artikel

Leitzins stellt auch 2024 die Weichen für den Kapitalmarkt

verfasst von: Michael Fuchs

5:30 Min. Lesedauer

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2023 stand im Zeichen der Notenbanken: "Wann enden die Zinserhöhungen?", war die bestimmende Frage an den Finanzmärkten. Auch im kommenden Jahr wird das Thema die Entwicklungen in den Anlageklassen bestimmen. Ein Ausblick. 

Die Experten der Helaba sind sich mit Blick auf den Kapitalmarkt sicher: "Die wichtigsten Spieler auf dem Platz werden auch 2024 die Notenbanken sein." Trotz vorsichtiger Andeutungen der Währungshüter ist unklar, wann die ersehnten Zinssenkungen kommen. Und ebenso offen ist, wie stark sie ausfallen werden. Zu große Hoffnungen könnten sich als verfrüht erweisen. Die Experten der Helaba rechnen lediglich mit einer "eher vorsichtigen Korrektur des Leitzinsniveaus". Nicht umsonst ist das Motto "höher für länger" zum geflügelten Spruch geworden.

Zinswende hinterlässt Spuren

Zudem bleibt abzuwarten, welche Spuren die Zinswende im vergangenen Jahr in der Wirtschaft hinterlassen wird. Nachdem die Märkte jahrelang mit Billiggeld verwöhnt wurden, sind die Folgen der deutlich gestiegenen Zinsen nicht zu unterschätzen. Auch wenn ein Absturz bislang ausgeblieben ist, sind die Verwerfungen an den Immobilienmärkten Mahnung genug.  

Ob die Spielmacher in den Notenbanken im Eifer des Gefechts nicht schon zu weit aus dem Mittelfeld in die gegnerische Hälfte vorgeprescht sind und zu viel gestrafft haben, wird eine der zentralen Fragen für 2024 sein", heißt es von der Helaba. 

Und wenn es zu einer Erholung der Wirtschaft kommt, dürfte "der Aufschwung gedämpft ausfallen".

Inflation noch nicht abhaken

Auch das Thema Inflation kann trotz günstiger Signale noch nicht abgehakt werden. Zwar ist die Teuerung im Euroraum  und den USA zuletzt stärker als erwartet gesunken. Doch ein genauerer Blick ist ernüchternd, wie Anlagestratege Robert Greil von Merck Finck & Co mit Blick auf die USA erläutert: "Wesentliche Komponenten der Inflation vor allem im Dienstleistungsbereich haben sich erneut als hartnäckig erwiesen. Folgerichtig gab die Kerninflation nur minimal von 4,1 auf 4,0 Prozent nach." Diese sei unverändert ein Hauptgrund für Sorgenfalten auf der Stirn der US-Notenbanker.

Im Euroraum mahnt hingegen die Lohnentwicklung zur Vorsicht. "Zuletzt haben wir den höchsten Lohnanstieg in der Eurozone seit Einführung des Euros gesehen", merkt Greil im Hinblick auf mögliche Leitzinssenkungen im kommenden Jahr an.

Alle noch so günstigen Prognosen könnte zudem die Weltpolitik über den Haufen werfen. Julien Lafarge, Chefmarktstratege von Barclays, weist auf das Risiko eines erneuten Inflationsschocks durch einen politischen Konflikt etwa um Taiwan hin. Der Anstieg des Ölpreises nach den Anschlägen in Israel hatte im Spätherbst gezeigt, wie schnell sich ein Inflationstreiber etablieren kann.

Staats- und Unternehmensanleihen im Fokus

Die zahlreichen Unwägbarkeiten machen es für Anleger nicht einfach. Experten greifen auf bewährte Rezepte zurück. "Wir favorisieren robuste, gut diversifizierte Portfolios", betont Björn Jesch, Chefanlagestratege der Fondsgesellschaft DWS.  Dazu gehören neben Aktien auch Anleihen, die nach langer Durchstrecke ein Comeback feiern. 

Galten die Festverzinslichen lange als zinsloses Risiko, bieten sie mittlerweile wieder attraktive Renditen - besonders dann, wenn die Inflation weiter sinken sollte. "Wir erwarten an den Anleihemärkten im nächsten Jahr positive Gesamtrenditen in den meisten Marktsegmenten", so Anleiheexperte Oliver Eichmann von der DWS. Seine Favoriten sind dabei Staatsanleihen mit kurzer und mittlerer Laufzeit sowie Unternehmensanleihen.   

Neue Favoriten unter den Aktien

Bei Aktien könnte unterdessen ein Favoritenwechsel anstehen. Hatten US-Aktien lange Zeit die Nase vorn, sind andere Märkte nun attraktiver. "Besonders teuer bewertet sind US-Aktien, weshalb wir unsere Zehn-Jahres-Renditeprognosen für die Assetklasse für Anlegerinnen und Anleger aus dem Euroraum ab 2023 von 3,1 bis 5,1 Prozent pro Jahr auf 2,4 bis 4,4 Prozent gesenkt haben", betonen die Experten des US-Vermögensverwalters Vanguard. 

Auch bei der DWS sind US-Aktien nicht erste Wahl. Hier favorisiert man Aktien aus Europa und den Japan. Die Renditeprognosen fallen entsprechend aus. "Für die Aktienmärkte der Industrieländer ohne die USA erwarten wir in den kommenden zehn Jahren annualisierte Renditen von 5,0 bis 7,0 Prozent, für Aktien aus dem Euroraum 4,3 bis 6,3 Prozent und für Schwellenländeraktien 4,6 bis 6,6 Prozent", so die Vanguard-Fachleute.

Positive Aussichten für deutsche Werte

Unter Bewertungsgesichtspunkten besonders interessant sind deutsche Aktien. Aktienstratege Markus Reinwand von der Helaba misst dem DAX mit einem Kursziel von 17.500 Punkten stattliches Potenzial bei. Um das zu erreichen, ist gar nicht viel nötig. "Man muss für dieses Kursziel nicht einmal steigende Unternehmensgewinne, sondern lediglich eine Normalisierung der Bewertung unterstellen", betont Reinwand. 

Genau das gleiche Ziel nennt Analyst Sven Streibl von der DZ Bank. Für den Euro Stoxx 50 geht er mit einem Ziel von 4.800 Punkten von immerhin zehn Prozent Potenzial aus, während der S&P 500 mit ebenfalls 4.800 Zählern am wenigsten Raum nach oben hat. Dabei bevorzugt Streibl eine Kombination aus europäischen Zyklikern und großen US-Technologietiteln. Erstere zeichneten sich durch ihre günstige Bewertung aus, während große (US-)Technologiewerte "einige der wenigen echten Wachstumszentren in einer sonst wachstumsarmen Welt" seien.

Gold könnte von Zinswende profitieren

Einen Blick wert ist auch Gold. Das Edelmetall hat angesichts der starken Zinsanhebungen in den vergangenen beiden Jahren erstaunlich gut geschlagen, wie die Experten der Helaba betonen. Denn mit den deutlich gestiegenen Renditen für erstklassige Anleihen ist dem unverzinsten Gold eigentlich eine starke Konkurrenz erwachsen. 

Der Blick der Märkte gilt aber wie stets der künftigen Entwicklung. "Gold wird deshalb spätestens in der zweiten Jahreshälfte von deutlichen Signalen einer Zinswende profitieren können", prognostizieren die Experte der Helaba. "Dann dürfte das Edelmetall die Marke von 2.000 Dollar je Unze überwinden."

Zurückhaltung bei Immobilien

Nicht ganz so gut sieht es für das sogenannte Betongold aus. Bei Wohnimmobilien gehen die Experten der Helaba zwar von einem Ende der Preisrückgänge und einem "moderaten Anstieg der Hauspreise" im kommenden Jahr aus. Doch die Preise von Bürogebäude dürften unter Druck bleiben. Das sind keine guten Vorzeichen für offene Immobilienfonds, die oft in gewerblichen Immobilien investiert sind. 

Die durchschnittliche Performance der offenen Fonds dürfte sich erst im Verlauf von 2024 stabilisieren, zu Jahresende wird sie vermutlich noch unter zwei Prozent liegen", prognostizieren die Experten der Helaba. 

Das ist viel zu wenig, um mit Anleihen zu konkurrieren. Die Fonds, die im Zinstief als Anleiheersatz dienten, werden daher auch im kommenden Jahr voraussichtlich Mittelabflüsse verzeichnen.

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