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Erschienen in: Standort 2/2023

Open Access 27.04.2023 | Angewandte Geographie

Kulturelle und räumliche Determinanten der Umsatzrentabilität von Musikspielstätten in Deutschland

verfasst von: Jan Üblacker, Johannes Krause, Niklas Blömeke, Heiko Rühl, Katharina Huseljic

Erschienen in: Standort | Ausgabe 2/2023

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Zusammenfassung

Musikspielstätten sind ein integraler Teil der Musikwirtschaft und leisten durch ihre Aktivitäten auch einen sozialen und kulturellen Mehrwert in den Städten und Regionen. Sie dienen als Orte für künstlerische Experimente, für neue Talente und für Begegnungen und Austausch. Das trifft in besonderem Maße auf kleine Musikspielstätten zu, die in einem Spannungsfeld aus musikalisch-ästhetischem Anspruch und den ökonomischen Notwendigkeiten eines Gewerbebetriebs operieren. Insbesondere in prosperierenden Städten stehen sie oftmals unter Druck.
Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag verschiedene Determinanten der Umsatzrentabilität von Musikspielstätten. Dabei betrachten wir kulturelle und räumliche Aspekte, um zu klären, ob und in welchem Maße diese den Umsatz beeinflussen. Die Ergebnisse der quantitativen Auswertung stammen aus zwei Analysen: (1) eine deskriptive Bestandsaufnahme kultureller und ökonomischer Kennzahlen und (2) eine multivariate Regressionsanalyse, um Zusammenhänge zwischen strukturellen, kulturellen und ökonomischen Merkmalen zu untersuchen.
Unsere Befunde zeigen, dass neben dem zu erwartenden positiven Einfluss von Kapazität und Anzahl der Veranstaltungen auch verschiedene Aspekte der Programmgestaltung (z. B. Genrevielfalt und Vielfalt der Veranstaltungsformate) signifikant mit der Umsatzhöhe zusammenhängen. Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für politische Entscheidungsträger:innen, die die kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit ihrer lokalen Musik-Ökosysteme fördern möchten.

Einleitung

Musikspielstätten (englisch „venues“) sind ein wichtiger Bestandteil der Musikwirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens. Sie entdecken Trends, bieten Raum für Experimente und ermöglichen aufstrebenden Talenten ein Publikum. Sie sind zudem Orte der Begegnung, der Identitätsbildung und des sozialen Engagements (vgl. van der Hoeven und Hitters 2019). Dies gilt insbesondere für kleine und mittelgroße Musikspielstätten, die jedoch oft unter prekären Bedingungen operieren.
Oft besteht ein Spannungsfeld zwischen ästhetischen Ansprüchen und ökonomischen Notwendigkeiten. Betreiber:innen von Musikspielstätten haben eine künstlerische Vision und möchten eine spezifische Klientel mit ihrem Angebot ansprechen. Dabei beziehen sie sich nicht auf ein breites Publikum, sondern auf bestimmte Szenen oder Nischen. Dies hat zur Konsequenz, dass künstlerisch ambitionierte Angebote oftmals wenig(er) Umsatz generieren und die Existenz der Spielstätten langfristig gefährden. Nichtsdestotrotz müssen Musikspielstätten auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten funktionieren und mindestens kostendeckend arbeiten.
Verschärft wird das Spannungsfeld zwischen künstlerischem Anspruch und wirtschaftlichen Zwängen durch Entwicklungen im städtischen Raum: Durch Flächenknappheit und steigende Mieten entsteht ein Kommerzialisierungsdruck (Holt und Wergin 2013). Musikspielstätten sind vom Pionier-Dilemma der Gentrifizierung betroffen. Sie stoßen den Prozess der kulturellen Umwertung an und bereiten eine ökonomische Inwertsetzung vor, von der sie selbst betroffen sind (Üblacker 2022, S. 308). Steigende Mieten und Lärmbeschwerden (neuer) Anwohner:innen, Nutzungskonflikte und Komplikationen beim Zugriff auf Förderungen erschweren den Betrieb (Blömeke et al. 2022b, a).
Vor diesem Hintergrund stellt sich unsere Forschungsfrage: Welchen Einfluss haben strukturelle und kulturelle Merkmale auf den ökonomischen Erfolg von Musikspielstätten?
Um dies zu beantworten, diskutieren wir die kulturelle Bedeutung und die Ökonomik von Musikspielstätten. Anschließend leiten wir Hypothesen ab, beschreiben die erhobenen Daten, bevor die empirischen Ergebnisse berichtet werden. Abschließend diskutieren wir Schlussfolgerungen und Limitationen des Forschungsbeitrags.

Theoretischer Hintergrund

Livemusik ist zentral für Musikspielstätten. Livemusik erfordert (anders als aufgezeichnete Musik) eine Versammlung, bei der Musiker:innen (auch DJs) zu einem Zeitpunkt an einem Ort vor Publikum auftreten (Behr et al. 2016, S. 6). Nach Webster et al. (2018, S. 115) benötigen Spielstätten zudem einen „catalyst“, also kuratierende Organisatoren und Organisatorinnen. Diese Funktion wird in der Regel von den Bookern und Bookerinnen erfüllt, die die Musikspielstätte über ihre Programmgestaltung maßgeblich prägen (Holt 2020, S. 29).
Aktuelle Forschungen beziehen sich bei der Untersuchung von Livemusik auf das Konzept der Livemusikökologie, welches nicht nur künstlerisch-ästhetische, sondern auch räumliche und materielle Aspekte berücksichtigt (Behr et al. 2016; van der Hoeven und Hitters 2020). Eine Livemusikökologie ist demzufolge als ein Netzwerk aus diversen sozialen Akteuren zu verstehen, in dem materielle mit immateriellen Aspekten zusammenwirken. Vor dem Hintergrund der spezifischen Konstellation dieser Bestandteile innerhalb eines definierten Raumes (z. B. einer Stadt) lässt sich der kulturelle und soziale Beitrag einer Livemusikökologie untersuchen (van der Hoeven et al. 2020, S. 28).
Das Geschäftsmodell von Livemusikspielstätten besteht darin, ein ästhetisches Angebot zu entwickeln und über Ticketverkäufe, Eintrittsgelder und gastronomisches Angebot Einnahmen zu generieren. Ein Maß für den ökonomischen Erfolg ist die Umsatzrentabilität, das Verhältnis von Gewinn zum Umsatz. Die Rentabilität ist langfristig erfolgsentscheidend. Erfolgreiche Musikspielstätten verfügen außerdem über eine hohe Reputation, die durch Betreiber:innen und Booker:innen geprägt werden (Lange und Bürkner 2013, S. 157 ff.).
Die Besucher:innenkapazität ist ein weiterer wichtiger Faktor. Weil größere Musikspielstätten höhere Betriebskosten haben, müssen sie mehr Einnahmen erwirtschaften. Das gelingt eher, wenn das Programm etablierte und populäre Musiker:innen mit einer großen Zielgruppe adressiert. Eine kulturelle Profilierung tritt dann gegenüber der kommerziellen Ausrichtung in den Hintergrund (Behr et al. 2016). Gegenteilig stellt sich die Situation bei kleineren Musikspielstätten dar (Gallan 2012, S. 41). Die hohe Dichte an szenebezogenen Veranstaltungen trägt zum Reputationsaufbau bei, was attraktiv für Künstler:innen ist. Größere Venues schaffen das aufgrund der kommerziellen Ausrichtung und des unscharfen Profils oft nicht (Lange und Bürkner 2013, S. 157 ff.).
Der kulturelle Wert eines Künstlers und einer Künstlerin wird durch das künstlerische Talent determiniert (vgl. Abb. 1). Der ökonomische Wert wiederum bemisst sich an (1) der Qualität der künstlerischen Arbeit und (2) dem Bekanntheitsgrad. Der ökonomische Wert findet Ausdruck im Eintrittspreis (Angelini und Castellani 2017, S. 12). Diese Analyse erklärt den Zusammenhang zwischen kulturellem und ökonomischem Wert. So ist anzunehmen, dass kleinere Musikspielstätten aufgrund der Szeneanbindung künstlerisches Talent und kulturellen Wert unabhängig vom Bekanntheitsgrad der Künstler:innen erkennen. Aufgrund der sozialen Einbettung in die Szene sind sie motiviert, Künstler:innen nach ihrem Talent (nicht nach Popularität) zu buchen. Betreiber:innen größerer Musikspielstätten hingegen achten aufgrund der höheren Kosten stärker auf den Bekanntheitsgrad, durch den höhere Eintrittsgelder verlangt werden können.
Forschungen zum kulturellen Wert von Musikspielstätten haben gezeigt, dass sich die kulturelle Bedeutung von Musikspielstätten nicht nur am künstlerischen Anspruch ihres Programms bemisst, sondern weitere Elemente der Livemusikökologie relevant sind. Nach van der Hoeven und Hitters (2019, S. 264) definiert sich der kultureller Wert von Livemusikökologien durch drei Bestandteile: (1) Musikalische Kreativität, (2) Talentförderung und (3) kulturelle Lebhaftigkeit.
Musikalische Kreativität speist sich aus einem hohen Anteil an Newcomer:innen und Original Music (keine Cover Music) und aus der Vielfalt von Genres (van der Hoeven und Hitters 2019, S. 267). Diese Faktoren werden insbesondere von kleinen Musikspielstätten in Städten angeboten (Grazian 2013, S. 146). Talentförderung bedeutet, dass Musikspielstätten neuen, unbekannten Künstlern und Künstlerinnen eine Bühne bieten (van der Hoeven und Hitters 2019, S. 268). Kulturelle Lebhaftigkeit entsteht u. a. aus Kooperationen mit anderen Kulturinstitutionen und aus einem diversen Programm (van der Hoeven und Hitters 2019, S. 268).
Der Forschungsstand zeigt, dass sich die Debatte um kulturelle, soziale und ökonomische Werte auf Livemusik im Allgemeinen konzentriert. Weniger im Fokus stehen bisher die Livemusikspielstätten als Orte. Als Katalysatoren kultureller Produktion und Konsumtion organisieren sie die Transformation von künstlerischem Talent in ökonomischen Wert. Darüber hinaus erbringen Musikspielstätten in ihrer Funktion als Community Builder wichtige soziale Beiträge für ihr Umfeld. Das bedeutet, dass sie beispielsweise als Treffpunkte für marginalisierte Szenen dienen oder auch Orte gruppenübergreifender Interaktionen sein können. Bisher ist unklar, ob bzw. wie sie von dieser Wertproduktion profitieren, insbesondere ökonomisch.

Hypothesen

Auf Basis des Forschungsstands leiten wir zwei Gruppen von Hypothesen ab. Die erste bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen strukturellen Kennzahlen und der Umsatzrentabilität. Die zweite Gruppe untersucht den Zusammenhang zwischen kulturellen Merkmalen und Umsatzrentabilität. Somit ist die Umsatzrentabilität die abhängige Variable und die strukturellen sowie die kulturellen Variablen die unabhängigen Variablen (Tab. 1).
Tab. 1
Darstellung der Hypothesen
Dimension
Merkmal
Erwarteter Effekt auf Umsatzrentabilität
Strukturelle Variablen
Zahl der Einwohner:innen
+
Betriebsdauer der Musikspielstätte
+
Anzahl der Räume der Musikspielstätte
+
Auslastung der Musikspielstätte
+
Kulturelle Variablen
Anteil Newcomer:innenperformances
Anzahl unterschiedliche Veranstaltungsformate
+
Anzahl unterschiedliche Musikgenres
+
Anzahl Akteure und Akteurinnen bzw. Organisationen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, mit denen kooperiert wird
+
Anzahl Performances
+
Anzahl Akteure und Akteurinnen oder Initiativen, die sich mit sozialen, kulturellen oder integrativen Aspekten beschäftigen und denen die Spielstätte zur Verfügung gestellt wird
+
Anteil an durch externe Veranstalter:innen gebuchte MVs
+
Hat die Musikspielstätte einen/eine Booker:in?
+

Methode

Wir testen unsere Hypothesen mit Daten der Clubstudie der Initiative Musik (vgl. Rühl et al. 2021). Die Feldphase der Untersuchung fand im Oktober 2020 statt. Es wurden rund 2000 Spielstätten per E‑Mail zur Teilnahme an der Online-Befragung eingeladen, es handelt sich um eine Vollerhebung ohne systematische Ausfälle. Der Fragebogen enthielt Fragen zu kulturellen, sozialen, ökonomischen und strukturellen Merkmalen der Livemusikspielstätte und richtete sich an die Betreiber:innen. Nach der Datenbereinigung verblieben 830 verwertbare und vollständige Fragebögen. Der Datensatz ist einzigartig, da es bisher keine vergleichbare Befragung gab. In die finalen multivariaten Analysen gehen 329 verwertbare Fälle ein. Aufgrund des listenweisen Ausschlusses reduziert sich die Fallzahl; jede Spielstätte, die bei einer der genutzten Variablen einen fehlenden Wert hat, kann nicht in die finalen Modelle eingehen.
Um den Zusammenhang zwischen Umsatzrentabilität, strukturellen und kulturellen Merkmalen von Livemusikspielstätten zu untersuchen, berechnen wir mehrere multivariate Modelle. Zu diesen Faktoren zählen bspw. die Betriebsdauer einer Musikspielstätte oder die Besucherkapazität. Folglich schätzen wir zwei multivariate Modelle; im ersten Schritt werden die strukturellen Variablen aufgenommen. Im zweiten Schritt folgen Variablen, die die kulturellen Werte der Musikspielstätten darstellen. Da wir von einer deutlich unterschiedlichen Wirkungsweise der unabhängigen Variablen in Abhängigkeit der Besucher:innenkapazität ausgehen, werden alle Modelle getrennt nach vier Kapazitätsgrößen berechnet (unter 150, unter 250, unter 550 und über 550 Personen). Für jede der vier Kapazitätsgrößen erfolgt eine Auswertung, in der signifikante Einflüsse auf die Umsatzrentabilität abgelesen werden können.

Analyseteil

Die nach Kapazität geteilten Modelle sind gleich aufgebaut (vgl. Tab. 2): Die abhängige Variable ist die Umsatzrentabilität. Im ersten Schritt werden die strukturellen Variablen ergänzt (a) und im zweiten Schritt die kulturellen Variablen (b). Dieser Aufbau ergibt sich aus der theoretischen Annahme, dass die strukturellen Gegebenheiten eines Musikclubs nicht mehr nach der Gründung beeinflusst werden können, die kulturellen Variablen aber substanziell durch die Betreiber:innen gestaltet werden können. Somit ergeben sich acht geschätzte Modelle: Zentral sind Modell 1 („kleine“ Musikspielstätten mit einer Kapazität von unter 150 Besucher:innen, beispielhaft in Abb. 2 dargestellt) und Modell 4 („große“ Spielstätten mit mehr als 550 Personen Kapazität, beispielhaft in Abb. 3 illustriert). Modelle 2 und 3 analysieren Spielstätten mit einer mittleren Kapazität.
Tab. 2
Multivariate Regressionen auf die Umsatzrentabilität in Abhängigkeit struktureller und kultureller Variablen
 
Kapazität < 150
Kapazität 150 bis < 250
Kapazität 250 bis < 500
Kapazität > 500
Modell 1
Modell 2
Modell 3
Modell 4
AV: Umsatzrentabilität
1a
1b
2a
2b
3a
3b
4a
4b
Konstante
−0,136
−0,253+
0,072
0,177*
0,040
−0,002
0,073
0,021
BBSR-Klassen (Ref. < 25.000 Einwohner:innen)
25.000 bis < 100.000 Einwohner:innen
−0,014
0,017
−0,053
−0,062
−0,027
0,002
−0,067+
−0,074*
100.000 bis < 500.000 Einwohner:innen
−0,023
−0,010
−0,010
−0,023
−0,006
0,019
−0,101**
−0,092**
Mehr als 500.000 Einwohner:innen
0,011
0,024
0,014
0,016
−0,006
0,029
−0,063+
−0,046
Betriebsdauer der Musikspielstätte
−0,001
−0,001
0,001
0,001
0,000
0,000
−0,001+
0,000
Anzahl Räume der Musikspielstätte
0,062*
0,063*
−0,027
−0,027
0,006
0,003
−0,001
0,000
Auslastung der Musikspielstätte
0,002
0,002+
0,000
0,000
0,000
0,000
0,001*
0,001**
Anteil Newcomer:innenperformances
0,001
−0,001*
0,001+
0,001***
Anzahl unterschiedliche Veranstaltungsformate
−0,006
−0,007
−0,005
0,000
Anzahl unterschiedliche Musikgenres
0,007
0,001
0,000
0,000
Anzahl Akteure und Akteurinnen bzw. Organisationen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, mit denen kooperiert wird
−0,034*
−0,005
−0,001
0,003
Anzahl Performances
0,000
0,000
0,000
0,000
Anzahl Akteure und Akteurinnen oder Initiativen, die sich mit sozialen, kulturellen oder integrativen Aspekten beschäftigen und denen die Spielstätte zur Verfügung gestellt wird
0,053*
0,014
0,002
−0,009+
Anteil an durch externe Veranstalter:innen gebuchte MVs
0,003+
0,000
0,001
0,000
Hat die Musikspielstätte einen/eine Booker:in? (Ref. Nein)
−0,009
−0,010
−0,013
−0,005
n
73
93
82
81
Adjusted R2
0,015
0,104
0,031
0,047
−0,052
−0,023
0,195
0,317
Veränderung in R22-test)
0,089+
0,016 n. s.
0,029 n. s.
0,122**
OLS Regression; p-Werte berechnet auf Basis des T‑Tests
+p < 0,1; *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001
Betrachtet man Tab. 2 fallen zwei Dinge auf: (1) Die erklärte Varianz (das adjustierte R2), also das Ausmaß, in dem die unabhängigen Variablen die Streuung der Umsatzrentabilität erklären können, variiert zwischen den Modellen stark. Für Musikspielstätten mittlerer Größe scheint die Zusammenhangsannahme nicht zu gelten, da die erklärte Varianz gering ist und sich nur einzelne signifikante Effekte zeigen. (2) Für die kleinsten und größten Spielstätten zeigen sich etliche signifikante Zusammenhänge. Die Varianzaufklärung liegt in einem (sehr) guten Bereich. Im Weiteren wird v. a. auf diese beiden Gruppen eingegangen.
In Modell 1a ist nur das strukturelle Merkmal „Anzahl Räume der Musikspielstätte“ signifikant; mit jedem Raum erhöht sich die Umsatzrentabilität um 6,2 %. Bemerkenswert ist die Relevanz der kulturellen Variablen für die kleinsten Musikspielstätten (Modell 1b). Sie leisten einen substanziellen Beitrag zur Varianzaufklärung (8,9 %) und weisen einen positiven und negativen Zusammenhang mit der Umsatzrentabilität auf. Kooperationen mit anderen Kultur-Akteuren und Akteurinnen „zahlen sich nicht aus“; mit jeder Kooperation sinkt die Umsatzrentabilität um 3,4 %. Sie scheinen also mehr Kosten zu verursachen als Einnahmen zu generieren. Genau gegenläufig ist der Zusammenhang mit der Umsatzrentabilität, wenn die Spielstätte sozial, kulturell oder integrativ orientierten Akteuren und Akteurinnen oder Initiativen zur Verfügung gestellt wird; mit jeder dieser Kooperation steigt die Umsatzrentabilität um 5,3 %. Es bleibt festzuhalten, dass unter den strukturellen Merkmalen kleiner Musikspielstätten nur die Anzahl der Räume einen positiven Zusammenhang mit der Umsatzrendite aufweist. Die kulturellen Variablen hingegen zeigen einen größeren, wenn auch ambivalenten Zusammenhang und können die Veränderung der Umsatzrentabilität besser erklären.
Fast exakt gegenläufig verhält es sich bei den größten Musikspielstätten. Hier sind es vor allem die strukturellen Variablen, die zur Erklärung der Umsatzrentabilität beitragen (19,5 %). Hier zeigt sich, dass große Venues in großen Städten scheinbar einer ebenso großen Konkurrenz ausgesetzt sind; die Rentabilität sinkt (um bis zu 10,1 %), wenn die Einwohner:innenzahl der Gemeinde steigt. Die Auslastung hängt positiv mit der Rentabilität zusammen. Dies ist der einzige Befund, der (sowohl in Richtung als auch Signifikanz) zwischen den Modellen 1 und 4 konsistent ist. Entgegen unseren Annahmen weist der Anteil an Newcomer:innenperformances einen signifikant positiven Zusammenhang mit der Rentabilität auf. Dies könnte am Zusammenspiel eines unbekannteren Support Acts (Newcomer:innen) und bereits erfolgreichen Main Acts im selben Abendprogramm liegen. Das statistische Ergebnis wäre somit ein Artefakt, das aus der unterschiedlichen Veranstaltungsstruktur zwischen kleinen und großen Musikspielstätten resultiert. Neben diesem kulturellen Aspekt zeigen Akteure und Akteurinnen, die sich mit sozialen, kulturellen und integrativen Aspekten auseinandersetzen, einen signifikanten Zusammenhang, und zwar negativ. Während dieses Merkmal für kleine Venues einen positiven Zusammenhang aufweist, ist es für die größten Musikspielstätten negativ.
Im Hinblick auf die Determinanten der Umsatzrendite bestätigen die Modelle einen grundlegenden Unterschied zwischen großen und kleinen Musikspielstätten, der sich aus theoretischer Perspektive mit den unterschiedlichen Geschäftspraktiken plausibilisieren lässt (vgl. Tab. 3). Das Geschäftsmodell aller Spielstätten besteht darin, über das Veranstaltungsangebot kulturellen in ökonomischen Wert zu übersetzen. Allerdings bestätigt die Analyse nur für kleine Musikspielstätten einen positiven Zusammenhang kultureller Faktoren, nämlich der Einbettung in ein Netzwerk aus sozialen, kulturellen oder integrativ arbeitenden Akteuren und Akteurinnen. Eine Erklärung für den positiven Zusammenhang mit der Umsatzrendite könnte die stabilisierende Funktion der Einbindung in zivilgesellschaftliche Netzwerke sein. Die kleinen Musikspielstätten etablieren sich über die Nutzung abseits von Musikveranstaltungen als Community Builder und binden dadurch kleinteilige Szenen in ihrem Umfeld, die dann auch das musikalische Angebot nutzen. Für diesen Erklärungsansatz spricht zudem, dass nur bei kleinen Musikspielstätten die Anzahl der Räume ebenfalls einen positiven Zusammenhang mit der Umsatzrendite zeigt. Es ließe sich also vermuten, dass die höhere Umsatzrendite durch mehr Räume nicht allein durch mehr Musikveranstaltungen zustande kommt, sondern auch durch erweiterte nichtmusikalische Nutzung. Die höhere Umsatzrendite könnte auch durch die Vermietung der Räumlichkeiten und die dadurch gesteigerten Einnahmen entstehen.
Tab. 3
Darstellung der Hypothesen in Abgleich mit den empirischen Ergebnissen
Dimension
Merkmal
Erwarteter Effekt auf Umsatzrentabilität
Hypothese bestätigt?
Modell 1
Modell 2
Modell 3
Modell 4
Strukturelle Variablen
Zahl der Einwohner:innen
+
x
x
x
x
Betriebsdauer der Musikspielstätte
+
x
x
x
x
Anzahl der Räume der Musikspielstätte
+
x
x
x
Auslastung der Musikspielstätte
+
x
x
Kulturelle Variablen
Anteil Newcomer:innenperformances
x
x
x
Anzahl unterschiedliche Veranstaltungsformate
+
x
x
x
x
Anzahl unterschiedliche Musikgenres
+
x
x
x
x
Anzahl Akteure und Akteurinnen bzw. Organisationen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, mit denen kooperiert wird
+
x
x
x
x
Anzahl Performances
+
x
x
x
x
Anzahl Akteure und Akteurinnen oder Initiativen, die sich mit sozialen, kulturellen oder integrativen Aspekten beschäftigen und denen die Spielstätte zur Verfügung gestellt wird
+
x
x
x
Anteil an durch externe Veranstalter:innen gebuchte MVs
+
x
x
x
Hat die Musikspielstätte einen/eine Booker:in?
+
x
x
x
x
Der ökonomische Erfolg großer Spielstätten hängt nach den Ergebnissen unserer Analyse hingegen mit strukturellen Merkmalen zusammen. So haben Musikspielstätten in Städten mit einer Einwohner:innenzahl zwischen 25.000 und 500.000 eine geringere Umsatzrendite als Spielstätten in sehr kleinen Städten und sehr großen Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern und Einwohnerinnen. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass große Spielstätten in Städten mit einer mittleren Einwohner:innenzahl kein ausreichend großes Publikum vorfinden oder in einer zu großen Konkurrenz zueinander stehen.

Fazit

Anhand der Befragung von Betreibern und Betreiberinnen von Musikspielstätten in Deutschland (vgl. Rühl et al. 2021) untersuchte der Beitrag den Zusammenhang zwischen strukturellen und kulturellen Merkmalen von Musikspielstätten und deren Umsatzrentabilität. Auf Basis der bestehenden Datenlage zeigen die Ergebnisse, dass die aus der Theorie abgeleiteten Modelle einen Erklärungsbeitrag für die Umsatzrendite von kleinen und großen Musikspielstätten leisten können. Bei kleinen Musikspielstätten sind kulturelle Merkmale scheinbar relevanter, wobei Kooperationen mit Kultur- und Kreativwirtschaft negativ und Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren positiv mit der Umsatzrentabilität zusammenhängen. Bei großen Musikspielstätten hingegen scheinen strukturelle Merkmale wie die Gemeindegröße und die Auslastung relevanter. Der Anteil der Newcomer:innenperformances hingegen steigert die Umsatzrendite nur bei großen Musikspielstätten. Das ist insofern überraschend, als dass Nachwuchsförderung oftmals kleineren Musikspielstätten zugeschrieben wird, aber unseren Befunden nach nur die größeren ökonomisch profitieren. Für kleinere Spielstätten verdeutlichen die Befunde die stabilisierende Wirkung zivilgesellschaftlicher Einbettung. Wie bereits eine Analyse der Erwartungen über die zukünftige Insolvenz in Krisenzeiten gezeigt hat (Krause et al. 2022), profitieren Musikspielstätten von einer Vernetzung. Interessant ist auch der Befund, dass die Gemeindegröße keinen Zusammenhang mit der Umsatzrentabilität kleiner Venues zeigt, mit den großen Venues hingegen schon. Vermutlich sind kleine Venues eher dazu in der Lage, eine musikalische Nische zu besetzen, wohingegen große Venues stärker um Besucher:innen konkurrieren. Zukünftige Forschung könnte genau diese Zusammenhänge stärker in den Blick nehmen und untersuchen, wie genau diese Einbettung entsteht und auf die Umsatzrendite wirkt.
Ergänzend muss erwähnt werden, dass die geschätzten Modelle nicht in der Lage sind, die Umsatzrentabilität für „mittelgroße“ Venues zu erklären. Es ist denkbar, dass die Zusammenhänge sich substanziell von den kleinsten/größten Venues unterscheiden. Die bisherige Forschung postuliert keine fundamental unterschiedlichen Wirkweisen, weshalb diese Unterscheidung zwingend in weiterführenden Erhebungen und Auswertungen mitgedacht werden sollte. Selbstverständlich müssen zukünftige Analysen die hier vorgestellten, ersten Befunde, überprüfen, um deren Validität und Reliabilität zu erhöhen.
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Anhänge

Anhang

Tab. 4
Univariate Verteilung zentraler Variablen
Variable
Mittelwert
Std. Dev.
Umsatzrentabilität
0,04
0,12
Bis 100.000 Einwohner:innen
0,23
0,42
Bis 500.000 Einwohner:innen
0,31
0,46
Mehr als 500.000 Einwohner:innen
0,36
0,48
Betriebsdauer der Musikspielstätte
21,08
13,04
Anzahl Räume der Musikspielstätte
1,89
1,11
Auslastung der Musikspielstätte
63,29
19,81
Anteil Newcomer:innenperformances
40,27
29,24
Anzahl unterschiedliche Veranstaltungsformate
4,72
2,71
Anzahl unterschiedliche Musikgenres
5,71
2,96
Anzahl Akteure und Akteurinnen bzw. Organisationen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, mit denen kooperiert wird
2,00
1,74
Anzahl Performances
174,85
196,30
Anzahl Akteure und Akteurinnen oder Initiativen, die sich mit sozialen, kulturellen oder integrativen Aspekten beschäftigen und denen die LMS zur Verfügung gestellt wird
1,44
1,32
Anteil an durch externe Veranstalter:innen gebuchte MVs
9,77
23,11
Hat die Musikspielstätte einen/eine Booker:in? (Ref. Nein)
0,43
0,50
n = 329
Literatur
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Metadaten
Titel
Kulturelle und räumliche Determinanten der Umsatzrentabilität von Musikspielstätten in Deutschland
verfasst von
Jan Üblacker
Johannes Krause
Niklas Blömeke
Heiko Rühl
Katharina Huseljic
Publikationsdatum
27.04.2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Standort / Ausgabe 2/2023
Print ISSN: 0174-3635
Elektronische ISSN: 1432-220X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00548-023-00850-5

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