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2021 | Buch

Rechenmethoden des Leichtbaus

Grundlagen, Stäbe und Balken, Energiemethoden

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Über dieses Buch

Dieses Buch bietet eine umfassende und dennoch prägnante Darstellung der Rechenmethoden des Leichtbaus im Rahmen der Statik der Stab- und Balkentragwerke und ist in vier Abschnitte unterteilt. Ausgehend von ganz allgemeinen Ausführungen zu den Grundlagen der Elastizitätstheorie werden im ersten Abschnitt außerdem ebene Probleme sowie Festigkeitskriterien isotroper Materialien angesprochen. Der zweite Abschnitt ist der analytischen Behandlung der Statik der Stab- und Balkentragwerke gewidmet, wobei hier Balken unter Biegung, Querkraft und Torsion angesprochen werden. Der dritte Abschnitt behandelt die Arbeits- und Energiemethoden im Leichtbau und spannt den Bogen zwischen klassischen Methoden und modernen Rechenverfahren wie der Finite-Elemente-Methode. Im vierten Abschnitt schließlich wird auf weiterführende Stab- und Balkenmodelle eingegangen, wobei neben Schubfeldträgern und schubweichen Balken auch hybride Strukturen sowie Laminat- und Sandwichträger besprochen werden.

Dieses Buch richtet sich an Studierende an Fachhochschulen und Universitäten, aber auch an Ingenieurinnen und Ingenieure in der Praxis sowie an Forscherinnen und Forscher der Ingenieurwissenschaften.

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

In vielerlei technischen Anwendungen spielt das Gewicht einer Konstruktion eine wesentliche Rolle. Vorreiter dieses speziellen Wissensgebietes, das wir gemeinhin als Leichtbau bezeichnen und das besonders dominierend überall dort ist, wo konstruierende Ingenieurinnen und Ingenieure mit bewegten Strukturen zu tun haben, ist die Luft- und Raumfahrt. Fluggeräte als Beispiel sind ohne besondere Beachtung des Leichtbaus nicht umsetzbar. Aber auch technische Disziplinen wie Automobilbau, Schienenfahrzeugbau, konstruktiver Ingenieurbau/Hochbau und der allg. Maschinenbau bringen in vielen Anwendungen Leichtbauaufgaben mit sich, die geeignet zu adressieren und zu lösen sind.

Grundlagen

2. Grundlagen der Elastizitätstheorie

Dieses Kapitel beinhaltet sämtliche Grundlagen der Elastizitätstheorie dreidimensionaler anisotroper Körper, die für das Verständnis der weiteren Inhalte dieses Buches sowie weiterer geplanter Bände unerlässlich sind. Auch wenn das Kapitel recht umfangreich ausfällt, so beschränken wir uns hier doch auf absolut unumgängliche und unverzichtbare Inhalte. Der Leserschaft wird daher empfohlen, dieses Kapitel gründlich durchzuarbeiten, um darauf aufbauend an die weiteren Kapitel dieses Buches anknüpfen zu können. Wir werden die Inhalte dieses Kapitels dann später bei Besprechung der einzelnen, für den Leichtbau relevanten Strukturen, weiter spezialisieren und vertiefen. Diejenigen Leserinnen und Leser jedoch, die in den hier dargebotenen Inhalten bereits geschult sind, können das vorliegende Kapitel getrost überspringen.

3. Ebene Probleme

Die im vorhergehenden Kapitel diskutierten Zusammenhänge gelten für beliebige räumliche Probleme der Elastizitätstheorie. Jedoch zeigt die praktische Umsetzung, dass das Finden einer geschlossenen Lösung im Rahmen einer dreidimensionalen Spannungs- und Verzerrungsanalyse für elastisches und anisotropes Materialverhalten nur in wenigen Sonderfällen möglich ist. Praktisch tätige IngenieurInnen sind somit in den allermeisten Fällen mit der Aufgabe konfrontiert, für gegebene Problemstellungen vereinfachende Annahmen zu treffen und ein ingenieurtechnisches Leichtbauproblem so weit zu vereinfachen, dass auch vereinfachte Berechnungsverfahren zum Erfolg verhelfen. In vielen Fällen, gerade bei den im Leichtbau typischen dünnwandigen Strukturen, bietet es sich an, ein in der Realität ja stets dreidimensionales Problem auf zwei Dimensionen zu reduzieren. Auf diesem Wege wird nicht nur die Anzahl der zu ermittelnden Zustandsgrößen (Verschiebungen, Verzerrungen, Spannungen) signifikant reduziert, sondern es ergibt sich daraus auch üblicherweise eine deutliche Reduktion der Komplexität der zu lösenden Gleichungen, was oftmals Lösungen ermöglicht, die bei Betrachtung eines dreidimensionalen Problems nicht möglich wären. Zugleich sinkt hiermit der notwendige Rechenaufwand, was gerade in der praktischen Tätigkeit einer Ingenieurin/eines Ingenieurs im Leichtbau von erheblicher Bedeutung ist. Neben den recht allgemeinen Begriffen des ebenen Verzerrungszustandes sowie des ebenen Spannungszustandes betrifft das vor allem die idealisierenden Konzepte der sog. Flächenträgwerke. Auf diese Begrifflichkeiten werden wir im weiteren Verlauf dieses Kapitels ausführlich eingehen, aber es sei bereits hier der Hinweis gegeben, dass die rechnerische Behandlung der Flächentragwerke sowie die damit verbundenen konstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten nicht Bestandteil dieses Buches sind.

4. Festigkeitshypothesen für isotrope Materialien

Eine der wichtigsten Aufgaben konstruierender IngenieurInnen im Leichtbau ist es, die Festigkeit einer Struktur vorhersagen zu können. Hiermit ist der Begriff des Festigkeitsnachweises verbunden. Festigkeitsnachweise werden üblicherweise basierend auf dem in einer Leichtbaustruktur vorherrschenden Spannungszustand $$\sigma_{ij}$$ σ i j durchgeführt. Zur Vorhersage der Festigkeit einer Struktur (d. h. das Treffen einer Aussage darüber, ob ein gegebener Spannungszustand zulässig ist oder nicht, und mit welcher Versagensart ggf. zu rechnen ist) werden üblicherweise die sog. Versagenskriterien herangezogen, denen das vorliegende Kapitel gewidmet ist. Versagenskriterien dienen also der Bewertung eines gegebenen Spannungszustandes bezüglich seiner Zulässigkeit. Viele der Versagenskriterien, die wir nachfolgend besprechen werden, sind älteren Datums, haben sich aber in der praktischen Anwendung vielfach bewährt und sind daher nach wie vor sehr gängig. Wir werden unsere Betrachtungen in diesem Kapitel ausschließlich auf die statische Analyse von Leichtbaustrukturen beschränken. Dieses Kapitel basiert auf den Ausführungen zu Festigkeitshypothesen bei Mittelstedt und Becker (2016).

Dünnwandige Stab- und Balkenstrukturen

5. Balken unter Normalkraft und Biegung

Wir betrachten in diesem Kapitel gerade Balkenstrukturen, für die wir in allen Fällen lineare Elastizität annehmen wollen. Wir beschränken uns an dieser Stelle auf solche Balkenstrukturen, bei denen ausschließlich Normalkräfte, Biegemomente und Querkräfte auftreten (Abb. 5.1, links). Torsion sowie die damit zusammenhängenden Schnittgrößen, Spannungen und Verformungen werden wir an späterer Stelle in den Kap. 7 und 8 betrachten. Der betrachtete Balken sei durch die beiden Streckenlasten $$q_{y}$$ q y und $$q_{z}$$ q z belastet, wobei die Indizierung die Richtung der wirkenden Streckenlasten angibt. Beide Streckenlasten können beliebige Funktionen der Längskoordinate $$x$$ x sein. Hinzu kommt noch eine beliebige Anzahl von Einzelkräften $$F_{y}$$ F y und $$F_{z}$$ F z , die an beliebigen Stellen $$x$$ x angreifen mögen. Ebenso können Einzelbiegemomente angreifen, die aber in Abb. 5.1 der Übersichtlichkeit halber nicht eingezeichnet sind. Eine Torsionsbelastung in Form von Einzelmomenten $$M_{T}$$ M T und streckenhaft verteilten Torsionsmomenten $$m_{T}$$ m T sei hier vorerst ausgeschlossen.Wir werden die Betrachtungen dieses Kapitels ausschließlich auf sehr dünnwandige Balkenquerschnitte beziehen, die wir dann in sehr guter Näherung durch ihre jeweiligen Skelettlinien darstellen können (Abb. 5.2). Die Skelettlinien halbieren die Querschnittsdicke an jeder Stelle.

6. Querkraftschub

Im vorhergehenden Kap. 5 haben wir uns mit geraden Balken unter Normalkraft und Biegung auseinandergesetzt und uns vornehmlich mit der Bestimmung der Normalspannung $$\sigma_{xx}$$ σ x x infolge der Normalkraft $$N$$ N sowie der beiden Biegemomente $$M_{y}$$ M y und $$M_{z}$$ M z beschäftigt. Hingegen zeigt die Betrachtung der Gleichgewichtsbedingungen (s. auch Abb. 5.26), dass zur Wahrung des Gleichgewichts auch Querkräfte $$Q_{y}$$ Q y und $$Q_{z}$$ Q z zwingend auftreten müssen. Die Abb. 5.3 hat dabei aufgezeigt, dass Querkräfte mit den Schubspannungen $$\tau$$ τ in Verbindung stehen, deren Ermittlung an dünnwandigen Querschnitten das vorliegende Kapitel gewidmet ist. Eine Problematik jedoch, die sich im Rahmen der Euler-Bernoulli-Balkentheorie ergibt, ist die Forderung nach der Gültigkeit der Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte sowie der Normalenhypothese (Abb. 5.4), was gleichbedeutend mit verschwindenden Schubverzerrungen $$\gamma$$ γ ist. Jedoch ist die Schubspannung $$\tau$$ τ über das Hookesche Gesetz mittels 6.1 $$\tau=G\gamma$$ τ = G γ mit der Schubverzerrung $$\gamma$$ γ verbunden, was mit verschwindenden Schubverzerrungen $$\gamma$$ γ ebenfalls zu verschwindenden Schubspannungen $$\tau$$ τ führen würde. Dies ist ein Widerspruch der Euler-Bernoulli-Balkentheorie, der unumgänglich ist. Damit steht für die Bestimmung der Schubspannung $$\tau$$ τ keine konstitutive Beziehung zur Verfügung, so dass wir Aussagen über die Schubspannung $$\tau$$ τ aus Gleichgewichtsbetrachtungen beschaffen müssen.

7. St. Venantsche Torsion

Die bisherigen Ausführungen fokussierten sich auf Stäbe und Balken, deren Belastungen Normalkräfte, Querkräfte und Biegemomente hervorrufen. Jedoch kann neben solchen Belastungsfällen auch Torsion auftreten, die in vielerlei Leichtbauanwendungen bemessungsentscheidend ist und daher geeignet in der Auslegung und Dimensionierung von Leichtbaustrukturen zu berücksichtigen ist. Die Betrachtung der Torsion gerader Stäbe ist der Gegenstand dieses Kapitels (die sog. St. Venantsche Torsion) sowie des nachfolgenden Kap. 8 (die sog. Wölbkrafttorsion). Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Theorien besteht darin, dass wir bei der St. Venantschen Torsion davon ausgehen, dass durch die Verdrehung des Querschnitts zwar sehr wohl Schubspannungen in der Querschnittsebene, aber keinerlei Querschnittsverwölbungen und damit auch keine Normalspannungen in Richtung der Trägerlängsachse (die sog. Wölbnormalspannungen) entstehen. Dass Letztgenannte aber sehr wohl auftreten können und mitunter einen entscheidenden Einfluss auf die Bemessung haben, wird aus Betrachtung der Wölbkrafttorsion deutlich. Wir werden daher in diesem und dem folgenden Kapitel beide Theorien eingehend betrachten.

8. Wölbkrafttorsion

Im vorhergehenden Kap. 7 haben wir uns eingehend mit der St. Venantschen Torsion dünnwandiger Querschnitte beschäftigt. Insbesondere nahmen wir dort sog. wölbfreie Querschnitte an und gingen vom Ebenbleiben der Querschnitte aus, bzw. wir unterstellen Querschnitte, bei denen etwaige Verwölbungen nicht behindert werden. Wir wollen nun in diesem Kapitel ergründen, wann die Limitationen der St. Venantschen Torsionstheorie in der Anwendung zulässig sind und in welchen Fällen wir mit einer weitergehenden Theorie das Torsionsproblem dünnwandiger Stäbe behandeln müssen. Der Oberbegriff hierfür ist die sog. Wölbkrafttorsion bzw. die sog. Biegetorsion I. Ordnung. Es lässt sich zeigen, dass für viele Beispiele die Annahmen der St. Venantschen Torsion nicht erfüllt sind, praxisrelevante Querschnitte sind i. Allg. nicht wölbfrei, so dass aufgrund der Belastung und/oder Lagerungsbedingungen Verwölbungsbehinderungen und entsprechende zusätzliche Spannungszustände hervorgerufen werden können. Dies bedarf dann einer geeigneten Berücksichtigung.

Arbeits- und Energiemethoden

9. Arbeit und Energie

Bislang haben wir uns mit der Betrachtung von Stab- und Balkentragwerken und deren exakt-analytischen rechnerischen Behandlung befasst. Jedoch stellen sich in der praktischen Anwendung vielfach Berechnungsaufgaben, bei denen exakte Lösungen gegebener Stab- und Balkenprobleme nicht mehr oder nur unter größtem Aufwand möglich sind und man sich einer der vielen verfügbaren Analyse- und Näherungsmethoden der Strukturmechanik bedienen muss, die in vielen Fällen auf Arbeits- und Energiebetrachtungen basieren. Solche Arbeits- und Energiemethoden werden im vorliegenden Abschnitt dieses Buchs ausführlich diskutiert und deren praktische Anwendung beleuchtet. Zuvor ist jedoch eine genauere Betrachtung des Arbeitsbegriffs und auch des Begriffs der Energie im Sinne der Strukturmechanik notwendig, was der Gegenstand des vorliegenden Kapitels ist. Wir gehen bei allen Betrachtungen von sog. konservativen Kräften aus, also solche Kräfte, bei denen die durch sie verrichtete Arbeit $$W$$ W nur vom Anfangs- und Endpunkt ihrer Bewegung abhängig ist, nicht jedoch vom zurückgelegten Weg.

10. Das Prinzip der virtuellen Verrückungen

Dieses Kapitel ist der Betrachtung des Prinzips der virtuellen Verrückungen gewidmet. Es wird sich zeigen, dass es sich hierbei um ein ganz fundamentales und für die Elastostatik, mithin also auch für den Leichtbau extrem wichtiges Prinzip handelt, aus dem sich eine ganze Reihe praxisrelevanter Rechenverfahren entwickeln lassen. Erste Anwendungen, die wir in diesem Kapitel besprechen werden, sind die Ermittlung von Kraftgrößen an statisch bestimmten Systemen sowie die Ermittlung von Einflusslinien für Kraftgrößen, ebenfalls an statisch bestimmten Systemen. Zudem werden wir eingehend diskutieren, inwieweit sich das Prinzip der virtuellen Verrückungen für die eindeutige Herleitung von Differentialgleichungen und Randbedingungen für Problemstellungen der Elastostatik nutzen lässt.

11. Das Prinzip vom Stationärwert des Gesamtpotentials

Dieses Kapitel ist einem für die Strukturmechanik, und damit also auch für den Leichtbau sehr wichtigen Extremalprinzip gewidmet, nämlich dem Prinzip vom Stationärwert des elastischen Gesamtpotentials. Es lässt sich aus dem Prinzip der virtuellen Verrückungen herleiten und stellt die Grundlage für eine ganze Reihe energiebasierter Näherungsverfahren des Leichtbaus dar. Bevor wir uns jedoch diesem Prinzip zuwenden, wollen wir uns zunächst einigen ausgewählten wichtigen Aspekten der damit eng verbundenen Variationsrechnung zuwenden. Dieses Kapitel schließt mit zwei interessanten Anwendungen, nämlich dem 1. Satz von Castiglianio sowie dem Satz von Clapeyron.

12. Das Prinzip der virtuellen Kräfte

Bislang haben wir Prinzipien betrachtet, die auf virtuellen Verrückungen beruhen. Genauso ist es aber möglich, Arbeits- und Energieprinzipien herzuleiten, die auf der Betrachtung virtueller Kräfte basieren. Solche Prinzipien haben einen erheblichen Wert für die Leichtbaupraxis und werden nachfolgend vorgestellt. Wir formalisieren diese Betrachtungen hieran anschließend mit der Erläuterung des sog. Kraftgrößenverfahrens zur Analyse statisch bestimmter und statisch unbestimmter Systeme, bevor dieses Kapitel mit der Behandlung von Reziprozitätstheoremen sowie einigen weiteren interesanten Anwendungen der diskutierten Prinzipien abschließt. Wir führen jedoch zunächst die Definition der Begriffe der virtuellen Kräfte sowie der komplementären virtuellen Arbeit ein.

13. Energiebasierte Näherungsverfahren

Die bislang zu Arbeits- und Energiemethoden dargestellten Rechenverfahren bieten die Möglichkeit, statische Problemstellungen auf exakte Art und Weise zu lösen. In vielerlei praktischen Anwendungen wird man jedoch damit konfrontiert sein, dass ein gegebenes Problem nicht mehr einer exakten geschlossen-analytischen Lösung zugänglich oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand behandelbar ist. An dieser Stelle hat sich eine Reihe von energiebasierten Näherungsverfahren etabliert, von denen wir in diesem Kapitel eine Auswahl besprechen wollen. Neben eher klassischen Verfahren wie dem Ritz-Verfahren sowie dem Galerkin-Verfahren wollen wir eine modernere und inzwischen fest etablierte Methode, nämlich die sog. Finite-Elemente-Methode (kurz: FEM) detailliert diskutieren, wobei der FEM das nachfolgende separate Kap. 14 gewidmet ist. All diese Verfahren haben als Gemeinsamkeit, dass sie auf geeigneten Näherungsansätzen für die gesuchten Zustandsgrößen des betrachteten Systems basieren, hier meist in Form von Ansätzen für die Verschiebungen, aus denen sich dann Aussagen über Verzerrungs- und Spannungszustände beschaffen lassen. Basierend auf diesen Ansätzen werden dann aus Energieprinzipien Näherungslösungen für eine gegebene Aufgabe ermittelt. Es wird dabei üblicherweise nach kontinuierlichen Verfahren und nach diskretisierenden Methoden unterschieden. Bei den kontinuierlichen Verfahren (hier das Ritz- und das Galerkin-Verfahren) werden Näherungsansätze auf der gesamten zu betrachtenden Struktur verwendet, wohingegen die betrachtete Struktur im Rahmen der diskretisierenden Methoden in Teilbereiche unterteilt wird, in denen dann entsprechende Näherungsansätze verwendet werden. Diese Teilbereiche, nämlich die sog. Elemente, werden dann zu einem späteren Zeitpunkt mittels Kontinuitätsbedingungen zur gesamten betrachteten Struktur assembliert, wobei die FEM der wohl wichtigste Vertreter der diskretisierenden Methoden ist. Das vorliegende Kapitel geht auf die kontinuierlichen Verfahren ein, die Finite-Elemente-Methode ist der Gegenstand des nachfolgenden Kap. 14.

14. Die Finite-Elemente-Methode

Die Finite-Elemente-Methode (kurz: FEM) ist ein energiebasiertes Approximationsverfahren, das seinen festen Platz in der Leichtbauanwendung gefunden hat. Sie hat klassische Methoden wie die zuvor besprochenene Verfahren nach Ritz und Galerkin inzwischen in vielen Anwendungsgebieten weitreichend ersetzt und ist aus der praktischen Anwendung nicht mehr wegzudenken. Wir wollen dieses diskretisierende Verfahren an dieser Stelle ausführlich anhand von Stab- und Balkenstrukturen besprechen.Die FEM basiert auf der Idee, Näherungsansätze nicht, wie z. B. im Rahmen des Ritz-Verfahrens, auf der gesamten betrachteten Struktur zu formulieren, sondern vielmehr die Struktur in Teilgebiete, die sog. Elemente, zu unterteilen (sog. Diskretisierung) und innerhalb dieser Teilgebiete Approximationen für die Zustandsgrößen vorzunehmen. Durch geeignete Übergangsbedingungen wird die Struktur dann zu einem späteren Zeitpunkt rechnerisch zusammengesetzt bzw. assembliert. Diese Einteilung in Teilgebiete bzw. Elemente wird auch als Diskretisierung bzw. als Vernetzung bezeichnet. Ein typisches Beispiel aus der Leichtbauanwendung ist in Abb. 14.1 gezeigt.

Weiterführende Stab- und Balkenmodelle

15. Schubfeldträger

Die Modellbildung des Schubfeldträgers (Abb. 15.1) ist eine im Leichtbau sehr häufig eingesetzte Idealisierung, die einigen sehr wichtigen Prinzipien des konstruktiven Leichtbaus Rechnung trägt. Es handelt sich bei Schubfeldträgern um ebene flächige Strukturen, die ausschließlich in ihrer Ebene belastet werden. Es liegt damit eine scheibenartige Struktur vor. Da es sich hierbei um typischerweise sehr dünne flächig ausgebreitete Strukturen handelt, sind bei der Nachweisführung nicht nur die Festigkeit, sondern auch die Stabilität (hier ist das Ausbeulen aus der Tragwerksebene gemeint) zu betrachten. Die Tragfähigkeit einer solchen flächenhaften Struktur kann signifikant gesteigert werden, wenn man die Struktur durch Steifen verstärkt. Die Steifen sind nicht nur signifikant an der Lastabtragung beteiligt, sondern sie steifen die Struktur außerdem gegen Ausbeulen aus und tragen so zur Sicherheit solch dünnwandiger Strukturen bei. Die Steifenanordnung erfolgt dann üblicherweise entlang der zu erwartenden Hauptlastpfade innerhalb der Struktur, wobei in der Leichtbaupraxis in vielen Fällen rechteckförmige Felder mit allseitigen Berandungen oder andere elementar einfache Feldformen vorliegen. Prinzipiell jedoch kann, je nach Anwendungszweck, ein beliebiges Aussteifungsmuster angeordnet werden. Über Steifen können zudem geeignet lokale Lasten in eine dünnwandige Struktur eingebracht werden.

16. Der schubweiche Balken

Die Euler-Bernoulli-Balkentheorie basiert auf der grundlegenden Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte und der Normalenhypothese, d. h. es wird von einem schubsteifen Balken ausgegangen, bei dem explizit jegliche Schubverzerrungen des Querschnitts ausgeschlossen werden. Liefert diese Theorie für viele praktische Zwecke hinreichend zuverlässige Ergebnisse, so existieren aber auch vielerlei Anwendungsfälle, bei denen diese Annahmen nicht mehr akzeptabel sind und zu falschen Ergebnissen führen. Ein qualitatives Beispiel zeigt die Abb. 16.1. Handelt es sich um eine Balkenstruktur, die aus einem recht schubweichen Material besteht, oder liegt ein Balken vor, dessen Länge $$l$$ l nicht mehr deutlich größer als beispielsweise seine Querschnittshöhe $$h$$ h ist, dann können die neben der Biegeverformung (Abb. 16.1, rechts oben) auftretenden Schubverformungen (Abb. 16.1, rechts Mitte) nicht mehr vernachlässigt werden, und es kommt zu einem Gesamtverformungsbild, so wie es qualitativ in Abb. 16.1, rechts unten, dargestellt ist. In solchen Fällen stößt die Euler-Bernoulli-Balkentheorie (s. Kap. 5) mit ihren strikten Vorgaben in Form der Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte und der Normalenhypothese an ihre Grenzen, und es müssen verbesserte Theorien gefunden werden. Wir wollen daher in diesem Kapitel auf eine Balkentheorie eingehen, die die doch recht strengen Einschränkungen der Euler-Bernoulli-Balkentheorie ein wenig lockert und gerade bei Strukturen, bei denen Schubverzerrungen eine Rolle spielen, für eine Verbesserung der Rechenergebnisse sorgen kann. Es handelt sich dabei um die Balkentheorie nach Timoshenko, und man spricht in diesem Zusammenhang auch vom sog. Timoshenko-Balken oder schlicht von einem schubweichen Balken.

17. Hybridstäbe und -balken

Die Ausführungen zu Stäben und Balken setzten bislang voraus, dass es sich um homogene Strukturen handelt, bei denen sich die Eigenschaften insbesondere über die Querschnittsfläche nicht ändern. Es gibt allerdings in der technischen Anwendung eine Vielzahl von Beispielen, wo dies nicht der Fall ist und wo man durch die gezielte Anordnung verschiedener Materialien an gewissen Stellen des Querschnitts vorteilhaftere Eigenschaften der Struktur erreichen kann, wobei sich diese Vorteile sowohl im Hinblick auf die effektiven mechanischen Eigenschaften als auch bezüglich anderer gewünschter Eigenschaften äußern können. Eine Auswahl solcher Strukturen, die als hybride Stäbe und Balken oder auch als Verbundstrukturen bezeichnet werden, ist in Abb. 17.1 gezeigt.In Abb. 17.1, links oben, ist eine Trägerstruktur gezeigt, die in den Flanschen ein anderes Material aufweist als im Steg. Eine solche Trägerstruktur wird sowohl als Hybridstab- oder -balken als auch als Verbundstab- oder -balken bezeichnet. Wir wollen im Weiteren die Bezeichnung als hybride Struktur beibehalten. Ein spezieller Fall eines solchen Trägers ist in Abb. 17.1, rechts oben, dargestellt. Diese Struktur besteht aus einer Stahlbetonplatte, die durch einen Stahlträger getragen wird. Solcherlei Bauweisen, die wir hier nicht weiter betrachten werden, werden im Rahmen des Stahlbaus typischerweise ebenfalls als Verbundbauweisen bezeichnet (Petersen 1997).

18. Laminat- und Sandwichträger

Ein Laminatstab bzw. -balken (Abb. 17.1, rechts unten, sowie Abb. 1.7) ist ein linienhaftes Strukturelement, das aus einer beliebigen Anzahl $$N$$ N von einzelnen Schichten besteht, wobei jede Einzelschicht eine beliebige Dicke und beliebige elastische Eigenschaften aufweisen kann. Wir wollen uns in diesem Abschnitt der Frage zuwenden, wie sich mit Hilfe der Ausführungen des Kap. 17 das Konstitutivgesetz für einen Laminatstab bzw. -balken für eine beliebige Schichtabfolge ableiten lässt. Die hier verwendete Nomenklatur ist in der Abb. 18.1 gezeigt. Das Laminat bestehe aus $$N$$ N Schichten, wobei die Schicht $$k$$ k den Elastizitätsmodul $$E_{k}$$ E k aufweise. Die Schicht $$k$$ k sei durch die Koordinaten $$z_{k-1}$$ z k - 1 und $$z_{k}$$ z k begrenzt. Der betrachtete Laminatbalken weise die konstante Breite $$b$$ b sowie die Dicke $$h$$ h auf und werde durch die sog. Laminat-Mittelebene an jeder Stelle $$x$$ x in zwei gleich dicke Hälften aufgeteilt.

Metadaten
Titel
Rechenmethoden des Leichtbaus
Copyright-Jahr
2021
Electronic ISBN
978-3-662-62720-4
Print ISBN
978-3-662-62719-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-62720-4

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.