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Erschienen in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching 1/2024

Open Access 05.01.2024 | BUCHBESPRECHUNGEN

„Social Dreaming“ als Zugang zum Unbewussten, zu verborgenem Wissen und zur Unendlichkeit

verfasst von: Jannik Zimmermann, M.Sc.

Erschienen in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching | Ausgabe 1/2024

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Moritz Senarclens de Grancy & Ullrich Beumer (2023). Social Dreaming. Eine Einführung in die Arbeit mit der Sozialen Traummatrix für Organisationsentwicklung, Supervision und Gruppentherapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 86 S., 18,00 €.
Der Begriff „Social Dreaming“ kann anfangs durchaus irritieren, ist Träumen doch eigentlich etwas, das im Stillen und allein vollzogen wird und eben nicht in Gesellschaft. „Social Dreaming“ im hier gemeinten Sinne bezeichnet eine psychodynamische Methode, die nicht zuletzt für die Arbeit in Organisationen entwickelt wurde. Im Kern geht es bei ihr darum, in einem sozialen Raum mit Träumen zu arbeiten. „Social Dreaming“ zielt darauf ab, gewohnte Denkmuster zu durchbrechen, Kreativität zu fördern und schwer zugängliche Informationen zu „heben“. Was wichtig ist: Wird sich im Rahmen von „Social Dreaming“ mit Geträumtem auseinandergesetzt, liegt der Fokus auf den Träumen selbst. Der Träumende hingegen rückt in den Hintergrund.
Die Methode folgt einer genauen Dramaturgie. Diese wurde vom britischen Psychoanalytiker Gordon Lawrence und seinen Kolleg:innen in den 1980er-Jahren im Umfeld der Tavistock Klinik erstmals umgesetzt und fortan weiterentwickelt (Armstrong 2019). Nun, gut 40 Jahre nach dem ersten inszenierten „Social Dreaming“, veröffentlichen Moritz Senarclens de Grancy und Ullrich Beumer die erste deutschsprachige Einführung in diese Methode. Der Einführungsband erscheint als Teil der Reihe „Beraten in der Arbeitswelt“ und richtet sich somit primär an erfahrene Berater:innen und Beratungsforscher:innen.
Die beiden Autoren führen in den ersten Seiten in die Ideenwelt hinter der Methode und in ihre Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte ein. Wie die Autoren schreiben, ist der Traum in diesem Zusammenhang zu verstehen „als Zugang zu Gedanken, Wünschen, Sorgen, aber auch Gefühlen […], die von den Mitgliedern in Unternehmen, Organisationen oder anderen (sozialen) Gefügen geteilt und weitergetragen werden können“ (S. 9–10). Recht schnell wird es konkreter, und das Kernelement der Methode – die Traummatrix – wird detailliert beschrieben. Bei der Matrix dient insbesondere die räumliche Anordnung der Stühle dazu, gewohnte Muster zu durchbrechen und eine andere Art der Kommunikation und des Denkens zu ermöglichen. Es folgen weitere eher theoretische Details zur Matrix und dem Organisationsverständnis, das der Methode zugrunde liegt.
Im Folgenden wird deutlich, dass sich die Methode weitestgehend einer kapitalistischen Verwertungslogik entzieht. Vielmehr ebnet sie den Weg für die Verarbeitung latent vorhandener Themen; auf eine Weise, die einige nicht psychodynamisch arbeitende Berater:innen befremden dürfte.
Nach spezifischeren Ausführungen, wie das Setting fürs „Social Dreaming“ zu gestalten ist und welche Rolle die Hosts – also die Prozessgestaltenden – einnehmen, folgen konkrete Hinweise, wie mit den Träumen gearbeitet wird: Teilnehmende äußern möglichst frei und unzensiert ihre Gedanken zum Gehörten (freies Assoziieren) und/oder stellen Verbindungen zu „Bildern aus der Mythologie, den Religionen oder der Kunst- und Kulturgeschichte“ („Amplifikationen“; S. 40) her. Ebenfalls, so die Autoren, ist es möglich, berichtete Träume und Traumelemente auf einem höheren Abstraktionsniveau miteinander in Beziehung zu setzen und Muster zu thematisieren.
Die Autoren beschreiben anschließend detailliert den Gesamtprozess der Methode, veranschaulichen die einzelnen Schritte und geben durch das Darstellen von Mitschriften aus einem zurückliegenden „Social Dreaming“ konkrete Einblicke. Es folgt eine kurze Erläuterung psychoanalytischer Konzepte, die zum vertieften Verständnis der Methode wichtig erscheinen (u. a. zum Assoziieren, zum Containment, zu ungedachtem Wissen, zum Unbewussten und zum Unendlichen).
Der letzte Teil des Buches handelt größtenteils von den vier verschiedenen Weisen, auf die sich „Social Dreaming“ in Organisationen einsetzen lässt: als Angebot im Rahmen von Workshops zur Einführung ins „Social Dreaming“, als Bestandteil von Kongressen und Tagungen, als Bestandteil von Beratungsfortbildungen, als Repertoireerweiterung des organisationalen Arbeitens. Nach kurzer Reflexion der Frage, ob „Social Dreaming“ auch online möglich ist, enden die beiden Autoren mit abschließenden Bemerkungen, die auch die Methode noch einmal punktiert zusammenfassen.
Den beiden Autoren gelingt es sehr gut, die Methode „Social Dreaming“, die dazugehörige Ideenwelt und ihre Durchführung zu veranschaulichen. Nicht zuletzt geschieht dies durch eine schrittweise Anleitung und Formulierungsbeispiele für Instruktionen. Sie lassen Schlüsselfiguren der Psychoanalyse zu Wort kommen, ohne zwangsläufig ein entsprechendes psychoanalytisches/psychodynamisches Hintergrundwissen beim Lesenden vorauszusetzen. Die Informationen zu relevanten psychoanalytischen Konzepten liefern die Autoren – wenn auch erst an hinterer Stelle im Buch – mit. Nicht erwartet werden sollten (neuro-)wissenschaftliche Erkenntnisse, wie die Autoren in der Einleitung selbst klarstellen (für eine knappe Übersicht zur empirischen Traumforschung vgl. z. B. Hierdeis 2018, S. 64ff.).
Etwas herausfordernder sind der gehobene Schreibstil und manche Satzkonstruktionen. Auch verbleibt nach dem Lesen der Eindruck, dass einzelne Aspekte nicht immer klar getrennt, geordnet und strukturiert behandelt werden, sondern stellenweise fragmentiert auftauchen und sich wiederholen – fast schon wie im Traum. Gleichwohl formt sich zum Schluss ein stimmiges Bild. Der in der Unterüberschrift angedeutete Einsatz des „Social Dreaming“ in Supervision und Therapie wird im Text kaum aufgegriffen. Von diesen Punkten sollte man sich allerdings nicht abschrecken lassen.
Die Autoren legen mit diesem Buch eine lesenswerte Einführung in die psychodynamische Methode „Social Dreaming“ vor. Lesenswert vor allem für Berater:innen, die die Methode selbst einsetzen wollen, Teilnehmende, die mehr über die Methode erfahren wollen, und Interessierte, die wissen wollen, wie es aussehen kann, wenn psychodynamische Interventionen in der Praxis eingesetzt werden.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
„Social Dreaming“ als Zugang zum Unbewussten, zu verborgenem Wissen und zur Unendlichkeit
verfasst von
Jannik Zimmermann, M.Sc.
Publikationsdatum
05.01.2024
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Organisationsberatung, Supervision, Coaching / Ausgabe 1/2024
Print ISSN: 1618-808X
Elektronische ISSN: 1862-2577
DOI
https://doi.org/10.1007/s11613-023-00868-6

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