3.1 Das Verhalten des potentiellen Falschparkers
Die Ökonomik als Wissenschaft untersucht, wie Menschen mit stabilen Präferenzen in bestimmten Sozialsituationen auf unterschiedliche Anreize reagieren. Ein Individuum führt eine Handlung dann durch, wenn der subjektiv erwartete Nutzen die erwarteten Kosten übersteigt (Kirchgässner
2013; Emrich und Follert
2019), ein Sachverhalt, der auch im Bereich illegaler Handlungen zutrifft (Becker
1968). Die Überlegungen zu einer ökonomischen Theorie der Kriminalität kamen Gary S. Becker interessanterweise bei dem Gedanken, sein Auto aus Zeitnot im Parkverbot abzustellen, intuitiv wog er Kosten und Nutzen gegeneinander ab (Becker
1996). Auch in Beckers (
1968) Konzept wird eine illegale Handlung in Form des Falschparkens dann begangen, wenn der prognostizierte Nutzen der Handlung die erwarteten Kosten übersteigt. Dem Ansatz Beckers folgend wird angenommen, dass eine Funktion existiert, die die Zahl der Parkvergehen in Relation zur Entdeckungs- und Verurteilungswahrscheinlichkeit, dem Strafmaß und einer sämtliche übrigen Einflüsse auf die Entscheidung beinhaltenden Variable setzt. P
j bezeichnet also die Parkvergehen, die ein Individuum in einer Periode j begeht. W
j ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit, S
j die Höhe der Strafe und U
j misst alle übrigen Entscheidungsmotive.
$$\mathrm{P}_{\mathrm{j}}=\mathrm{P}_{\mathrm{j}}(\mathrm{W}_{\mathrm{j}},\mathrm{S}_{\mathrm{j}},\mathrm{U}_{\mathrm{j}})$$
(1)
Für den Einfluss der Variablen Wj und Sj gilt:
$$\mathrm{P}_{\mathrm{Wj}}=\frac{\partial Pj}{\partial wj}<0 \mathrm{ und } \mathrm{P}_{\mathrm{Sj}}=\frac{\partial Pj}{\partial Sj}<0.$$
(2)
Das Entscheidungskalkül eines potentiellen Falschparkers beinhaltet grundsätzlich den durch diesen realisierten Nutzen und die entstehenden Kosten. Der Nettonutzen des Falschparkens, U
N, ergibt sich als Differenz des Bruttonutzens, U
B, und der im Fall der Entdeckung auftretenden Kosten, K:
$$\mathrm{U}_{\mathrm{N}}=\mathrm{U}_{\mathrm{B}}-\mathrm{K}.$$
(3)
Die erwarteten Kosten der illegalen Handlung sind das Produkt aus der Höhe der Strafe, S, und der Entdeckungswahrscheinlichkeit, W, wobei der bisher wesentlich durch den Personaleinsatz bestimmten Entdeckungswahrscheinlichkeit insgesamt wohl die höhere Bedeutung zukommt. Die Entdeckungswahrscheinlichkeit beinhaltet zudem die Wahrscheinlichkeit – auch im Falle eines Widerspruchs gegen den Bußgeldbescheid – vor Gericht zu kommen und auch eine Strafe zahlen zu müssen. Hierbei entfaltet selbstverständlich die vergangene und gegenwärtige Verurteilungspolitik deutscher Gerichte eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung, die vom rational agierenden Individuum in seinem Entscheidungskalkül berücksichtigt wird (Follert
2018).
Der Bruttonutzen, U
B, ergibt sich einerseits dadurch, dass die Parkgebühr für ein reguläres Parkticket eingespart wird, und andererseits durch die Zeitersparnis, da kein legaler Parkplatz gesucht werden muss. Zudem wird ein Autofahrer auch die Qualität des Parkplatzes bewerten. Tendenziell wird er, um die Gefahr eines Schadens zu reduzieren, einen breiten und gut zugänglichen Parkplatz bevorzugen. U
B ist umso höher, je höher der Wert der Zeit für das Individuum ist, je höher also seine Opportunitätskosten für eine zeitlich aufwändige Parkplatzsuche sind.
$$\mathrm{U}_{\mathrm{N}}=\mathrm{U}_{\mathrm{B}}-\mathrm{W}\cdot \mathrm{S}$$
(4)
Personen, deren Entlohnung maßgeblich durch den Faktor Zeit bestimmt wird – man denke an mobile Pflegedienste oder Taxifahrer, werden tendenziell einen höheren Nutzen aus dem Falschparken ziehen als beispielsweise Personen, die über mehr Freizeit verfügen. Zudem verkürzt sich im Fall des Falschparkens häufig die Wegzeit, da näher am Zielort geparkt wird, und damit reduzieren sich wiederum die Zeit-Wegekosten der Parkplatzsuche. Da Konsumenten regelmäßig nicht bereit sein dürften, größere Strecken vom Parkplatz zum Zielort in Kauf zu nehmen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der gesparte Weg ebenfalls als Nutzen im Kalkül berücksichtigt wird. Damit werden die gesparten Zeit-Wegekosten zum Substitut für die drohenden Kosten aus dem Produkt von Strafhöhe und Entdeckungswahrscheinlichkeit, also W ∙ S.
Die Abschreckung funktioniert also nur, wenn das Produkt aus Wahrscheinlichkeit mal Höhe der Strafe, W ∙ S, höher ist als der zu erwartende Nutzen, U
B.
$$\mathrm{W}\cdot \mathrm{S}>\mathrm{U}_{\mathrm{B}}$$
(5)
Je größer dabei die individuelle Gewichtung der Zeit-Wege-Kosten, je höher also die Opportunitätskosten alternativer Zeitverwendung, umso schwächer wird das Produkt von Strafhöhe mal Entdeckungswahrscheinlichkeit, W ∙ S, als Argument im individuellen Kalkül. Hinsichtlich der Beeinflussung der einzelnen Parameter des Entscheidungskalküls hat Becker (
1968) bereits herausgearbeitet, dass die Risikoneigung des Individuums eine entscheidende Rolle spielt. Ist der potentielle Falschparker risikoavers, schreckt ihn eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Entdeckung stärker ab als eine Straferhöhung. Für einen risikoscheuen Falschparker gilt umgekehrte Relation (Becker
1968). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Beeinflussung der beiden Parameter mit unterschiedlichen Kosten einhergeht (siehe 3.2). Die Strafhöhe ist dabei auch in Relation zum verfügbaren Einkommen des potentiellen Parksünders zu sehen. Das Verhältnis der Strafe zum verfügbaren Einkommen sei mit α bezeichnet.
$$\mathrm{W}\cdot \mathrm{S}\cdot \upalpha >\mathrm{U}_{\mathrm{B}},\ \mathrm{mit}\ 0\leq \upalpha \leq 1$$
(6)
In praxi wird das individuelle verfügbare Einkommen kaum ermittelbar sein. Auch ein Abstellen auf das zu versteuernde Einkommen als Heuristik scheidet aufgrund des Steuergeheimnisses aus, sodass die angestellte Überlegung eher theoretischer Natur ist und an dieser Stelle nicht weiterverfolgt wird.
Unter dem Aspekt der Zeitknappheit kann es für einen Parkplatzsuchenden also rational sein, wenn dieser sein Fahrzeug ohne langes Suchen eines legalen Parkplatzes, der möglicherweise auch noch weiter entfernt ist, im Parkverbot abstellt. Je höher das Produkt aus Strafe und Entdeckungswahrscheinlichkeit, umso länger sollte die Suchdauer c. p. währen und je bedeutsamer die Wegekosten in Folge hoher Opportunitätskosten der Suche sind, umso schwächer wird gleichzeitig das Produkt von Wahrscheinlichkeit mal Höhe der Strafe, W ∙ S, eingeschätzt.
Gerade bei kurzen Parkdauern kann sich das Falschparken unabhängig davon insofern als rational erweisen, als das Risiko der Entdeckung gering ist und erst mit steigender Zeitdauer zunimmt. Der Bruttonutzen, UB, steigt also nachvollziehbarer Weise mit erhöhtem Zeitdruck an, sodass das Falschparken umso wahrscheinlicher wird, je näher ein anstehender Termin rückt und je wichtiger er eingeschätzt wird.
Nimmt man an, dass es aus politischer Perspektive erwünscht ist, dass künftig weniger Menschen ihre Kraftfahrzeuge auf nicht dafür zugelassenen Flächen parken, kann man zwei Ansätze aufgreifen, die beide auf einem Abschreckungseffekt fußen (etwa Pfeifer und Gelau
2002). Die Strafwahrscheinlichkeit zu erhöhen ist grundsätzlich personal- und verwaltungsaufwendig und damit teuer (etwa Posner
1985), zumal wegen des Datenschutzgesetzes automatische Erfassungen von Vergehen ausscheiden. Um also das Produkt von Strafhöhe mal Strafwahrscheinlichkeit, also W ∙ S, hochzuhalten, empfiehlt sich es zunächst einmal die Strafhöhe, S, zu erhöhen, um die Abschreckungswirkung, W ∙ S, kostengünstig zu erhöhen.
Man kann in diesem Zusammenhang theoretisch auch die Entdeckungswahrscheinlichkeit, W, für einen Falschparker ohne größeren Kosteneinsatz erhöhen, etwa durch die öffentliche Aufforderung, falsch parkende Autofahrer dem Ordnungsamt zu melden, also die polizeilichen Ordnungskräfte zu entlasten und so die Entdeckungswahrscheinlichkeit, W, und damit letztlich auch die Abschreckungswirkung, W ∙ S, kostengünstig zu erhöhen. Interessanterweise ist dieser Weg bisher noch nicht beschritten worden, obwohl z. B. im Umweltbereich freiwillige Überwachungsaktivitäten zu beobachten sind. Ist dagegen die Entdeckungswahrscheinlichkeit, W, niedrig, führt dies c. p. dazu, dass Individuen das Risiko, einen Strafzettel zu bekommen, also W ∙ S, eher eingehen.
Da es sich um eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit handelt, spielt auch der subjektive Eindruck des Parkplatzsuchenden eine Rolle. Beobachtet dieser beispielsweise, dass bereits mehrere andere Autos im Halte- oder Parkverbot einen Strafzettel aufweisen, wird er sich eher gegen das Falschparken entscheiden, sodass hier ein Imitationseffekt auftritt (etwa Diekmann et al.
2011), also ein spezifisches Lernen am Modell, in dessen Verlauf eine signalisierte Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit, W, verhaltenswirksam wird.
Komplett verändern würde sich das Kalkül auf Seiten des Falschparkers, wenn Mehrfachtäter mit höheren Strafen abgeschreckt würden, es also zu einer automatischen Steigerung der Strafhöhe, S, bei Wiederholungstätern käme. Zudem wäre es denkbar, zusätzlich zur monetären Strafe das „Punktekonto in Flensburg“ zu erhöhen – was bereits diskutiert wurde –, da die Fahrerlaubnis für die meisten Autofahrer einen hohen monetären Gegenwert haben dürfte. Eine noch größere Abschreckung würde wohl erzielt, wenn bei x Verstößen, ein Fahrverbot von bspw. vier Wochen drohte. Damit würden zwei Effekte erzielt. Falschparken aus Versehen, das nicht entdeckt und bestraft wird, erhöht bisher die Neigung zu wiederholtem Falschparken. Bei Einführung höherer Strafen für Mehrfachtäter könnte man dieser Tendenz entgegenwirken, ohne den Ersttäter aus Unachtsamkeit über Gebühr zu bestrafen (vgl. Shoup
2006) und gleichzeitig könnte man „sparsam“ die Strafhöhe verändern und so dem Individuum Gelegenheit geben, aus den Strafen zu lernen.
Getreu der Maxime in der Bienenfabel (Mandeville
2006) „der Allerschlechteste sogar für’s Allgemeinwohl tätig war“ könnten die Kommunen, um die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung zu erhöhen, also einerseits vermehrt Ordnungsdienste beschäftigen, welche die Städte hinsichtlich Falschparkern überwachen und dabei die Strafen genauso wählen, dass die Gesamtsumme, die durch Parkplatzvergehen erwirtschaftet wird, durch den Abschreckungseffekt nicht gedrückt wird. „Parksünder“ wären in diesem Sinn eine von der Kommune zu bewirtschaftende natürliche Ressource, die kontinuierlich nachwächst und so bewirtschaftet wird, dass sie im „Biotop“ nicht wuchert, andererseits aber eben auch nicht völlig aus dem „Biotop“ vertrieben wird. Hilfreich könnten sich hier die Überlegungen aus der Ökonomik nachwachsender Rohstoffe erweisen. Legitim wäre eine solche Bewirtschaftung auf Dauer wohl nur solange es zu verdeutlichen gelingt, dass volkswirtschaftlich die sozialen Kosten, die W ∙ S, also das aggregierte kumulierte Produkt aus der Schwere der Strafe mal Wahrscheinlichkeit des Eintritts, verursachen, höher sind als die sozialen Kosten, die aus U
N, also dem kumulierten Nettoertrag der Falschparker
, entstehen.
Andererseits könnte man wie oben bereits ausgeführt zur Meldung von Falschparkern auffordern. Letzteres bedürfte aber einer klaren moralischen Begründung und ggf. geringfügiger finanzieller Anreize, weil ansonsten die Meldung von Falschparkern durch andere Autofahrer wohl eher nicht stattfände, da sie selbst in der nächsten Runde davon betroffen wären und zudem Nicht-Autofahrer gar nicht um Parkplätze konkurrieren, also tendenziell im Gegensatz zum Umweltschutz auch kein besonderes Interesse daran haben dürften, Falschparken zu bestrafen. So ist auch verständlich, dass die Meldung von Falschparkern derzeit wesentlich davon beeinflusst wird, ob das Verhalten des Falschparkers erkennbar negative externe Effekte für die öffentliche Sicherheit, Bewegungsfreiheit des Einzelnen usw. hat. Bei Zuparken einer Feuerwehr- oder Krankenhauszufahrt wird deshalb ein Falschparker durchaus angezeigt, bei einem illegalen Parken, das andere nicht wesentlich beeinträchtig, dagegen eher nicht. Abgewogen werden müssen hierbei jedoch moralische Erwägungen, da man Bürger gewissermaßen zum Denunziantentum auffordert.
Man könnte überdies mit den Mitteln der vereinfachenden Botschaften den Falschparker als jemanden etikettieren, der auf Kosten der Steuerzahler einen Gewinn einstreicht ohne Rücksicht auf Dritte (sog. „Public Shaming“), eine nicht ungefährliche Strategie. Eine Initiative, welche in diese Richtung geht, ist die App „Wegeheld“, welche vom sog. „Fahrrad-Aktivisten“ Heinrich Strößenreuther begründet wurde. Durch diese Plattform können durch Falschparker beeinträchtigte Verkehrsteilnehmer Photos der Parksünder hochladen und so auf das Vergehen aufmerksam machen. Auch einige Ordnungsämter rufen die Bevölkerung zur Mitwirkung auf (etwa das Ordnungsamt Bonn auf seiner Netzseite).
Insgesamt geht es wohl eher um die Erwirtschaftung von Mitteln, und eher nicht um die Einhaltung von Normen. So könnte das Überwachungsnetz enger gestrickt werden, während aktuell gewisse Bezirke nicht oder nur selten kontrolliert werden und eine Sanktionierung der Falschparker mangels Kontrolle entfällt. Eine Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit wird jedoch bisher nur durch einen erhöhten Arbeitseinsatz des bisher beschäftigten Personals oder die Neueinstellung zusätzlicher Kräfte realisiert werden können. Erste Möglichkeit scheidet schon wegen der tariflich begrenzten Arbeitszeit aus. Das Einstellen neuer Mitarbeiter führt wiederum zu steigenden Personalkosten. Gleichzeitig drohen den Kommunen Rückgänge in den Besucherzahlen bei Intensivierung der Parkraumüberwachung und drastischer Erhöhung der Strafen. Damit lohnt sich dieses Vorgehen nur für Kommunen, die an einem Nachfrageüberhang leiden und deren touristische und sonstige Besucherzahlen dynamisch wachsen. Insofern ist verständlich, dass touristisch extrem nachgefragte Städte wie etwa Amsterdam sehr hohe Parkgebühren eintreiben.
Eine weitere Möglichkeit wäre die Installation von Videoüberwachungssystemen, welche Falschparker identifizierten. Diese Videoüberwachung würde – so die gängige Theorie – potentielle Verkehrssünder bereits a priori abschrecken und sie so dazu bringen, einen legalen Parkplatz zu suchen (zur Videoüberwachung aus ökonomischer Sicht siehe Stutzer und Zehnder
2009), wodurch jedoch der Kommune wiederum Einnahmen wegfielen. Gleichzeitig steht dem auch die Einschränkung bürgerlicher Freiheit und erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken entgegen, da de facto eine permanente Identifizierung des Aufenthaltsorts der Bürger möglich wird. Denkbar wäre aber möglicherweise die Installation von ggf. kostengünstigen Attrappen, die der Abschreckung dienen könnten.
Neben der Steuerung der illegalen Handlung über eine Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit kann die Neigung zum Falschparken aber auch über die Strafhöhe gesteuert werden. Falschparken lohnt sich für ihn solange, wie die Kosten des Parkens im privaten Parkhaus bzw. die Kosten einer alternativen Mobilität höher sind. Das Kalkül lautet somit unter Einbeziehung privater Anbieter, dass Falschparken umso eher in Kauf genommen wird, je teurer das Parken im Parkhaus ist, je kürzer die erwartete Zeit des Falschparkens erwartet wird und je geringer die Entdeckungswahrscheinlichkeit eingeschätzt wird. Die illegale Handlung bekommt somit einen Preis. Erhöhte man die Strafe nun auf 100 €, setzt eine höhere Abschreckungswirkung ein, vorausgesetzt, die Straferhöhung wird ausreichend breit kommuniziert. Nimmt man die übrigen Parameter des Kalküls als konstant an, lohnte sich das Falschparken somit weniger.
Ein Ansatz, der bislang noch nicht diskutiert wurde, ist die Erhöhung etwaiger Gewissenskosten (GK) eines Falschparkers. Die Gewissenskosten mindern den Bruttonutzen entsprechend und erweisen sich als nachteiliger Effekt aus einer nicht zulässigen Handlung (Eifler und Schulz
2007), der innerlich wirkt. Hayek (
1969, S. 159) schreibt hierzu: „Ein schlechtes Gewissen ist die Angst vor Gefahren, denen man sich aussetzt, wenn man den vertrauten Pfad verläßt und eine […] unbekannte Welt betritt.“ Gewissenskosten – auch psychische Kosten – entstehen einem Individuum dann, wenn es gegen das von ihm verinnerlichte Wertesystem handelt (etwa Franz
2004) und/oder die Entdeckung dieser Abweichung befürchtet.
$$\mathrm{U}_{\mathrm{N}}=\mathrm{U}_{\mathrm{B}}-\mathrm{W}\cdot \mathrm{S}-\mathrm{GK}$$
(7)
Trotz der momentan als niedrig eingeschätzten Strafgebühren hat der Falschparker möglicherweise sogar das Gefühl, er würde für das Falschparken einen angemessenen Preis bezahlen, was die Gewissenskosten entsprechend mindert (hierzu in anderem Kontext Gneezy und Rustichini
2000). Würde man die Strafgebühren also erhöhen, minderte man in gewissem Sinn sogar die Gewissenskosten, weil man ja bereits für das Fehlverhalten bezahlt hat. Je mehr also Strafgebühren aus Sicht der Abweichler reine „Abzocke“ sind, umso schwächer werden tendenziell die Gewissenkosten. Die Gewissenskosten dürften allerdings insbesondere beim Parken auf für behinderte Menschen vorgesehenen Parkplätzen signifikant höher sein.
Man kann also zusammenfassen, dass dann, wenn die Ungleichung
$$\textit{Bruttonutzen}-\textit{Begehungskosten}-\textit{erwartete}\,\textit{Strafe}>\textit{alternativer}\,\textit{Nettoertrag}$$
(8)
erfüllt ist, falsch geparkt wird. Trifft sie nicht zu, verzichtet man auf das Falschparken und parkt z. B. im privaten Parkhaus. Betrachtet man die Ungleichung nach der
erwarteten Strafe, muss diese größer sein als der Ertrag aus Falschparken minus
Begehungskosten minus
alternativer Nettoertrag, wenn man Falschparken verhindern will.
Aufgabe der staatlichen Stellen könnte es daher zwecks Verhaltensprävention sein, für Halte- und Parkverbotszonen die Gewissenskosten zu erhöhen. Dies kann beispielsweise durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit geschehen. Wird einem potentiellen Parksünder bewusst vor Augen geführt, welche Kosten dritten Personen durch die negativen Effekte seiner Handlung entstehen – beispielsweise die Verspätung der Nutzer einer Straßenbahn, die ein falsch geparktes Auto nicht umfahren kann, oder ein Blinder, der sich durch das widerrechtlich abgestellte Fahrzeug verletzt – wird er sich tendenziell eher gegen die Handlung entscheiden.
3.3 Das Verhalten der Kommune
Während bislang das Entscheidungsverhalten eines potentiellen Parksünders modelliert wurde, soll der Blick nun auf das Verhalten der Kommune, welche als Gegenspieler ebenfalls strategische Überlegungen hinsichtlich ihrer Entscheidungen anstellt. Das Verhalten der Kommune ergibt sich aus ihrer Antizipation des Verhaltens der Autofahrer. Anhand des ökonomischen Modells der Delinquenz kann leicht erkannt werden, dass die Kommune verschiedene Parameter beeinflussen kann, um das Kosten-Nutzen-Kalkül des potentiellen Falschparkers zu beeinflussen. Es konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung der Kosten im Kalkül des Falschparkers selbst mit Kosten für die Kommune einhergeht, was insbesondere für eine Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit gilt. Im Optimum gilt, dass die Grenzkosten einer verkehrspolitischen Maßnahme dem Grenznutzen entsprechen.
Die Entscheidung, welche Parameter die Kommune beeinflussen möchte, hängt maßgeblich von ihrer Zielfunktion ab. Agiert die öffentliche Seite als bloßer Einnahmenmaximierer, kann dieses Ziel einerseits durch eine Erhöhung der (monetären) Strafe S erreicht werden. Die Erhöhung von S ist aus Sicht der Kommune kostenfrei möglich. Neben dem Abschreckungseffekt, kann durch die Transferzahlung im Falle einer Verurteilung, ein Teil der Externalitäten kompensiert werden.
5 Allerdings darf S nicht zu hoch gewählt werden, da die Abschreckung dann dazu führte, dass niemand mehr falsch parkte, was dem Ziel der Einnahmemaximierung zuwider liefe. Es stellt sich zudem die Frage, ob dies eine hinreichende Abschreckungswirkung mit sich bringt, insbesondere, wenn nicht von Risikoaversion ausgegangen wird. Zudem muss das Ziel einer reinen Einnahmemaximierung auf öffentlicher Seite nicht zwingend zu einem gesamtgesellschaftlichen Optimum führen.
Möchte die Kommune auch die Zahl der Bestrafungen erhöhen, müsste sie andererseits versuchen, den Wert von w, also entdeckt und bestraft zu werden, erhöhen. Die größte Abschreckungswirkung würde selbstverständlich erzielt, wenn sie W an 1 heranführte (Becker
1968). Eine Steigerung von W setzt jedoch wie gezeigt, regelmäßig einen erhöhten Personaleinsatz voraus, was die Kosten auf Seiten der Kommune ansteigen lässt. Diese Kosten entstehen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene und belasten den Steuerzahler. Ferner kann auch das o. g. Argument angeführt werden, dass bei einer öffentlich bekannten Entdeckungswahrscheinlichkeit von 1, niemand mehr falsch parken würde, was die Einnahmen nicht maximiert.
Im Sinne einer Wohlfahrtsmaximierung muss die Kommune jedoch auch andere Einflüsse als den Einnahmestrom in ihrem Kalkül berücksichtigen. Einerseits muss sie die Parameter so wählen, dass eine hinreichende Abschreckung erreicht wird. Andererseits stellen die Ausgaben für etwaige Maßnahmen und die Einnahmen durch entdeckte Falschparker in Zeiten einer angespannten kommunalen Finanzsituation ebenfalls relevante Determinanten dar. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein konstant niedrig bleibendes Angebot an legalen Parkplätzen bei hohen Kosten für Falschparken die Attraktivität der Innenstadt sinken lässt, was sich auch auf die Wirtschaftsleistung niederschlagen kann.
Zudem ist aus Sicht der Kommune zu bedenken, dass eine Abnahme des Falschparkens, das Problem des hohen Autoaufkommens in den Innenstädten keineswegs zu lösen vermag. Bleibt das Parkplatzangebot knapp, vermindert dies möglicherweise den Wert der Innenstadt, wenn nicht im Gegenzug verkehrspolitische Maßnahmen, bspw. verbesserter ÖPNV, „Park and Ride“-Möglichkeiten, „Carsharing“-Modelle usw. ergriffen werden. Eine Ausweitung des (legalen) Parkplatzangebots steht bei begrenzter Bebauungsfläche wiederum in Konkurrenz zum Angebot an Wohnraum in den Innenstädten. Hier muss von staatlicher Seite möglicherweise die Werturteilsfrage beantwortet werden, inwiefern man die bürgerliche Freiheit einschränken möchte, um verkehrs- und umweltpolitische Ziele zu erreichen.