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20.04.2023 | DSGVO | Gastbeitrag | Online-Artikel

Schufa kürzt Speicherdauer bei Privatinsolvenzen

verfasst von: Christian Piller

5 Min. Lesedauer

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Die Schufa wird Einträge zu abgeschlossenen Privatinsolvenzen nicht mehr nach drei Jahren, sondern bereits nach sechs Monaten löschen. Die Auskunftei kommt damit einer Entscheidung des EuGH zum europäischen Datenschutz zuvor. Das könnte auch Konsequenzen für Banken, Versicherer und andere Dienstleister haben.

Der Datendienstleister Schufa hat Ende März die Speicherdauer für die Einträge zu abgeschlossenen Privatinsolvenzen gekürzt. Von ursprünglich drei Jahren wird die Dauer nun auf sechs Monate reduziert. Damit geht die Auskunftei im Hinblick auf Bedenken des EU-Generalanwalts in puncto Verbraucherschutz in Vorleistung. 

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Am 27. März hatte der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Verfahren (Az.: VI ZR 225/21), mit dem der Kläger die Löschung der Eintragung über die Erteilung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren in einer Datenbank der Schufa erreichen will, ausgesetzt. Die Richter haben ihren Beschluss damit begründet, dass ein separater Entscheid gegebenenfalls aufgrund der seit 2018 geltenden DSGVO nicht notwendig ist. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat in einem ähnlichen Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bereits Fragen zur Auslegung des europäischen Rechts vorgelegt. 

Verkürzte Speicherdauer mit weitreichenden Folgen

Da die Daten bisher drei Jahre aufbewahrt wurden, hat der Schritt weitreichende Folgen: Betroffene profitieren vor allem davon, dass Geschäfte, bei denen eine Schufa-Abfrage genutzt wird, nun zweieinhalb Jahre früher wieder möglich sind - das gilt vom Handyvertrag bis zum Kreditabschluss. Das Stigma der Privatinsolvenz hat in vielen Fällen Unternehmen vor einem Vertragsabschluss abgeschreckt. 

Erhöhen sich damit auch die Risiken für alle wirtschaftlich Beteiligten in Zukunft? denn offensichtlich ist die Information über eine Restschuldbefreiung ein trennscharfes Kriterium bei der Risikobewertung und hat grundlegende Auswirkungen auf das Scoring und dessen Güte. Zwar hat die Schufa selbst verkündet, dass die Änderung keine grundlegenden Auswirkungen habe. Das heißt aber im Umkehrschluss, es gibt eine Auswirkung, die aber nicht als signifikant eingestuft wird. 

Es wird sich nun zeigen, ob der bisher angewendete Zeitraum von drei Jahren tatsächlich ideal war oder die knapp 250.000 betroffenen Personen, bei denen das Kriterium früher entfernt wird, künftig häufiger in Zahlungsschwierigkeiten geraten als der Schnitt der Bevölkerung. 

Negative Effekte auf das Scoring denkbar

Neben der Information zur Restschuldbefreiung wird auch der zum Start des Verbraucherinsolvenzverfahren bekannte Schuldenstand gelöscht. Diese Information beeinflusste bislang ebenfalls den Score und könnte dessen Qualität potentiell ebenfalls verschlechtern. Die Frage bleibt, wie signifikant dieser Effekt sein wird.

Es lohnt daher ein scharfer Blick auf die bisherige Vorgehensweise: Scoring-Modelle bestehen in der Regel aus einer Vielzahl von Faktoren. Dies kann der Wohnort sein, das Alter, der Beruf, laufende Kredite - oder auch vorangegangene Privatinsolvenzen. Diese machen es der Schufa möglich, auch einen Score von solchen Personen zu ermitteln, über die noch keine Daten zu Krediten, Handy-Verträgen oder anderen Geschäften vorliegen. 

Rating-Modell bleibt eine Blackbox

Um die tatsächlichen Auswirkungen auf die Güte des Rating-Modells der Auskunftei beurteilen zu können, ist allerdings ein Einblick in dessen genaue Zusammensetzung notwendig. Allerdings betrachtet die Schufa ihr internes Modell als Geschäftsgeheimnis, um möglichen Manipulationen eines Scores vorzubeugen, wie es auf der Homepage der Auskunftei zur Begründung heißt. 

Laut Schufa fließen unter anderem

  • Daten zur Identifizierung wie Name und Adresse, 
  • Informationen zur jeweiligen Score-Berechnung wie Girokonto, Kreditkarte, Bürgschaft sowie Vertrags- oder Kreditlaufzeiten und 
  • die sognannten Negativeinträge, etwa über unbezahlte Raten oder Rechnungen, gekündigte Kredite und Girokonten mit Dispokredit, bei denen ausstehende Beträge nicht bezahlt wurden, titulierte und anerkannte Forderungen oder Informationen aus Schuldnerverzeichnissen und Insolvenzbekanntmachungen in das Scoring-Verfahren ein. 

EuGH-Gutachten sieht Verstoß gegen Europarecht

Die Formel zur Berechnung des Scores sei der zuständigen Datenschutzbehörde bekannt und wede von ihr und unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kontrolliert, betont die Schufa. Dennoch gilt sie als Blackbox. Ein Gutachten des EuGH sieht in den so gewonnen Score-Werten einen Verstoß gegen das Europarecht. 

Die Schufa begründet die Speicherung der scorerelevanten Daten mit Artikel 6 Abs. 1f der DSGVO. Sie speichert die Einträge solange, wie sie erforderlich sind. Wie lange das ist, richtet sich "[…] nach den Besonderheiten der einzelnen Verarbeitungsbereiche […]" gemäß Artikel 40. Ob Auskunfteien in Zukunft generell mit kürzeren Fristen auskommen müssen und damit ihr gesamtes Geschäftsmodell infrage steht, muss sich zeigen. 

Auch Banken und Versicherer sind betroffen

Konsequent weitergedcht, müssen sich auch Banken den aufgeworfenen Fragen und Herausforderungen stellen, da sie ebenso wie die Schufa ratingrelevante Informationen speichern. Das gleiche gilt für Versicherer und andere Dienstleister wie Telekommunikationsanbieter, die mehr als nur Auskunftei-Informationen nutzen. 

Banken könnten in direkter Folge versucht sein, ihre eigene Datenhaltung zu erweitern: Sie bewahren die Informationen in der Regel so lange auf, wie die Geschäftsbeziehung existiert. Auch hier könnte sich das Szenario ergeben, in dem Informationen früher gelöscht werden müssen. Das würde dann auch die bankeneigenen Risikomodelle negativ beeinflussen und das Gesamtrisiko der Institute erhöhen. 

In der Konsequenz steigen zwangsläufig die Preise für Kredite, da eine erhöhte Unsicherheit entweder über den Risikozuschlag oder über andere Mittel wie Sicherheiten ausgeglichen werden müsste. Geschieht dies nicht, bestehen massive Lücken in der Risikovorsorge der Geldhäuser. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem dieses Thema ohnehin besonders im Fokus steht. 

Risiko steigt auch für andere Dienstleister

Ähnliches lässt sich für die Versicherungen und Unternehmen sagen. Dürfen auch hier weniger Informationen über Versicherte und Kunden als bisher gespeichert und genutzt werden, steigen das Risiko und somit letztlich auch die Beiträge beziehungsweise die Kosten. 

Noch ist nicht absehbar, ob und wie stark die Einschränkungen in Zukunft sein werden. Klar ist aber, dass die ausstehenden Entscheidungen des EuGH eine Menge Sprengkraft haben - nicht nur für Auskunfteien, sondern auch für alle anderen Wirtschaftsakteure. 

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