3.3 Konstruktion des Untersuchungsinstruments
Um ein Untersuchungsinstrument zur Überprüfung der Hypothesen konstruieren zu können, müssen zunächst die Konstrukte Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikosteuerung und Persönlichkeitseigenschaften bezüglich ihrer Variablen definiert werden.
Wie im Rahmen dieses Beitrages dargestellt, kann als Kernelement der individuellen Risikoidentifikation das Risikobewusstsein identifiziert werden (vgl. De Smidt und Botzen
2018, S. 245). Aus diesem Grund wird in dieser Untersuchung als messbare Variable für die Risikoidentifikation das Risikobewusstsein verwendet. Als Variablen der Risikobewertung werden die Risikoeinstellung sowie die Risikowahrnehmung erfasst, die nach Slovic die Risikobewertung von Individuen bestimmen (vgl. Slovic
1987, S. 281). Das Element der Risikosteuerung wird durch die Variable Abschluss einer Versicherung erfasst. Versicherungen stellen das dominierende Instrument der Risikosteuerung von Individuen (vgl. Zech
2002, S. 40) sowie den Fokus dieser Untersuchung dar, weshalb keine weiteren Instrumente der Risikosteuerung betrachtet werden. Als Persönlichkeitseigenschaften werden die Dimensionen der „Big Five“ (Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit) erfasst, welche die Diskussion über grundlegende Persönlichkeitseigenschaften kontinuierlich dominieren (vgl. Borkenau und Ostendorf
2008, S. 8). Zudem wird die Ambiguitätstoleranz als Persönlichkeitseigenschaft erfasst, die ebenso einen starken Einfluss auf das Risikoentscheidungsverhalten besitzt (vgl. Lauriola und Levin
2001, S. 117). Die jeweiligen Variablen der Konstrukte sowie der zur Messung verwendete Fragebogen sind in Tab.
1 zusammenfassend dargestellt.
Tab. 1
Zusammenfassung der untersuchten Variablen und der verwendeten Fragebögen. (Quelle: eigene Darstellung)
Risikoidentifikation | Risikobewusstsein | Selbst erstelltes Item |
Risikobewertung | Risikoeinstellung | SOEP |
Risikowahrnehmung | Selbst erstellte Items |
Risikosteuerung | Abschluss einer Versicherunga | Selbst erstelltes Item |
Persönlichkeitseigenschaften | „Big Five“ | NEO-FFI |
Ambiguitätstoleranz | IMA, MAT-50 |
Die Risikoeinstellung wird als grundlegende Eigenschaft mittels eines Items des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), welches durch das erhoben durch das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) erhoben wird, erfasst. Das Item ist auf die allgemeine Risikobereitschaft in allen Lebensbereichen bezogen(vgl. DIW
2016, S. 36). Die Risikowahrnehmung wird in dieser Arbeit durch die wahrgenommene Eintrittswahrscheinlichkeit und das wahrgenommene Schadenausmaß des Risikos erfasst. Der NEO-FFI erfasst Merkmalsausprägungen in den Bereichen Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit durch 60 Items (vgl. Borkenau und Ostendorf
2008, S. 7). Um den Umfang des Fragebogens gering zu halten, wurden nicht alle Items des NEO-FFI übernommen, sondern jeweils 6 Items pro Dimension anhand der Höhe ihrer Faktorladung ausgewählt. Im Rahmen dieser Umfrage wird die Ambiguitätstoleranz durch die Kombination zwei verschiedener Inventare gemessen. Aus dem „Inventar zur Messung der Ambiguitätstoleranz“ (IMA) wurden einige Items der Dimensionen „Ambiguitätstoleranz/-intoleranz gegenüber unlösbar erscheinenden Problemen“ und „Ambiguitätstoleranz/-intoleranz der Offenheit für neue Erfahrungen“ übernommen, da diese beiden Dimensionen am geeignetsten erscheinen die allgemeine Ambiguitätstoleranz zu messen (vgl. Reis
1996, S. 19). Verwendet wurde zusätzlich zum IMA nach Reis noch das „Measure of Ambiguity Tolerance“ (MAT-50) nach Norton (vgl. Norton
1975, S. 616–618). Da sich die vorliegende Untersuchung auf die Abschlussentscheidung von Versicherungen fokussiert, wurden aus dem MAT-50 nur die Items des Bereichs „Problemlösung“ ausgewählt.
3.5 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
Zunächst werden die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalysen für jedes der vier ausgewählten Versicherungsprodukte dargestellt. Danach werden die Ergebnisse der multiplen Regressionsanalyse mit der Anzahl der abgeschlossenen Versicherungen als abhängige Variable erläutert. Diese Ergebnisse werden verwendet, um die Hypothesen H3, H4 und H5 zu überprüfen. Im Anschluss werden die Hypothesen H1 und H2 durch jeweils eine multiple Regressionsanalyse mit den abhängigen Variablen Risikobewusstsein, Risikoeinstellung, wahrgenommene Wahrscheinlichkeit und wahrgenommenes Schadenausmaß überprüft.
Tab. 2
Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse je Versicherungsprodukt. (Quelle: Eigene Erhebung)
Neurotizismus | 0,972 0,5998 | 1,069 0,2114 | 0,967 0,5473 | 1,093 0,1261 |
Extraversion | 1,202 0,0259* | 1,116 0,1329 | 1,193 0,0273* | 1,166 0,0591** |
Offenheit für Erfahrung | 0,951 0,3290 | 0,987 0,7857 | 0,995 0,9206 | 0,919 0,1154 |
Verträglichkeit | 1,01 0,8960 | 0,869 0,0610** | 0,987 0,8627 | 0,841 0,0402* |
Gewissenhaftigkeit | 1,041 0,5992 | 1,148 0,0558** | 0,966 0,6467 | 1,264 0,0046* |
Ambiguitätstoleranz | 0,975 0,4499 | 1,026 0,3974 | 0,952 0,1378 | 1,013 0,6901 |
Risikoeinstellung | 1,162 0,3279 | 1,047 0,7477 | 1,109 0,5094 | 1,271 0,1433 |
Risikobewusstsein | 1,361 0,0416* | 1,203 0,3219 | 0,963 0,8554 | 1,243 0,3060 |
Wahrgenommene Wahrscheinlichkeit | 1,755 0,0222* | 1,182 0,4438 | 1,612 0,0380* | 1,164 0,5322 |
Wahrgenommenes Schadenausmaß | 1,003 0,9853 | 0,999 0,9969 | 0,797 0,2467 | 1,134 0,5077 |
Alter | 0,943 0,1431 | 1,011 0,7805 | 1,011 0,7813 | 1,127 0,0140* |
Nettoeinkommen (monatl.) | 1,665 0,0522** | 1,331 0,2532 | 2,472 0,0026* | 1,193 0,5006 |
Für die logistische Regressionsanalyse bezüglich des Abschlusses einer
Berufsunfähigkeitsversicherung ergeben sich die in Tab.
2 dargestellten Werte. Diese legen den Einfluss des Nettoeinkommens, der Ausprägung von Extraversion, des Risikobewusstseins und der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit auf die Abschlusswahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung nahe.
Mit steigendem Nettoeinkommen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Dieses Ergebnis kann auf den größeren finanziellen Spielraum bei einem höheren Einkommen zurückgeführt werden (vgl. Wang et al.
2012, S. 1738; vgl. Durkin und Elliehausen
2018, S. 18). Eine höhere Ausprägung der Dimension Extraversion wirkt sich positiv auf den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung aus. Zudem steigt mit einem höheren Risikobewusstsein sowie mit einer höheren wahrgenommenen Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Dies kann durch den Einfluss des Risikobewusstseins sowie der Risikowahrnehmung auf das Risikoentscheidungsverhalten erklärt werden (vgl. Flynn et al.
1993, S. 643; vgl. de Smidt und Botzen
2018, S. 245). Kein Zusammenhang wurde aufgrund der fehlenden Signifikanz zwischen der Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung und den Variablen Neurotizismus, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Ambiguitätstoleranz, Alter, Risikoeinstellung und wahrgenommenes Schadenausmaß angenommen.
Für den Abschluss einer Unfallversicherung konnte mit einem Signifikanzniveau von 5 % kein logistisches Regressionsmodell generiert werden, da alle unabhängigen Variablen das Signifikanzniveau überschreiten. Mit einem Signifikanzniveau von 10 % ergibt sich ein logistisches Regressionsmodell für den Abschluss einer Unfallversicherung, das den Einfluss des Risikobewusstseins und der Ausprägung von Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit zeigt.
Eine hohe Ausprägung der Dimension Verträglichkeit senkt die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Unfallversicherung. Dieses Ergebnis könnte durch das rücksichtsvolle Verhalten von Personen mit hohen Verträglichkeitswerten erklärt werden (vgl. Borkenau und Ostendorf
2008, S. 7). Durch das besonders rücksichtsvolle Verhalten von verträglichen Personen, könnten Unfälle durch Fremdeinwirkung, etwa in der Freizeit oder als Verkehrsteilnehmer, schwer vorstellbar und damit weniger salient sein, was zu einer Entscheidung gegen den Abschluss einer Unfallversicherung führen könnte. Dagegen erhöht eine hohe Ausprägung der Dimension Gewissenhaftigkeit die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Unfallversicherung. Dieses Ergebnis ist konsistent mit dem Ergebnis von Häusler et al., welche einen positiven Zusammenhang zwischen einer hohen Ausprägung der Gewissenhaftigkeit und einer abgeschlossenen Unfallversicherung nachweisen (vgl. Häusler et al.
2019, S. 10). Analog dem Ergebnis für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung erhöht auch ein größeres Risikobewusstsein die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Unfallversicherung. Dieses Ergebnis kann durch die höhere Salienz des Risikos und deren Einfluss auf das Risikoentscheidungsverhalten sowie die Verfügbarkeitsheuristik erklärt werden (vgl. Tversky und Kahneman
1973, S. 230; vgl. Theil
2002, S. 69 f.).
Für die logistische Regressionsanalyse mit der abhängigen Variablen
„Abschluss einer Rentenversicherung“ ergeben sich die in Tab.
2 dargestellten Werte. Daraus lässt sich ein Einfluss des Nettoeinkommens, der Ausprägung von Extraversion und der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit auf den Abschluss einer Rentenversicherung ableiten.
Mit steigendem Nettoeinkommen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer privaten Rentenversicherung. Dieses Ergebnis kann analog dem Einfluss des Nettoeinkommens auf den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf den größeren finanziellen Spielraum bei einem höheren Einkommen zurückgeführt werden (vgl. Wang et al.
2012, S. 1738; vgl. Durkin und Elliehausen
2018, S. 18). Auch eine hohe Ausprägung der Dimension Extraversion wirkt sich positiv auf die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer privaten Rentenversicherung aus. Dieses Ergebnis könnte durch den Optimismus, die positiven Emotionen, die Personen mit hohen Ausprägungen von Extraversion aufweisen, und deren Streben nach finanzieller Entlohnung erklärt werden (vgl. Borkenau und Ostendorf
1989, S. 241; vgl. Lauriola und Weller
2018, S. 18 f.). Diese Eigenschaften könnten den Abschluss einer Rentenversicherung beeinflussen, da die Vorstellung einer guten Wertentwicklung der Versicherung und einer hohen Rentenauszahlung stark ausgeprägt ist. Auch Häusler et al. stellen einen Zusammenhang zwischen finanziellem Optimismus und dem Abschluss einer Rentenversicherung her (vgl. Häusler et al.
2019, S. 11). Auch bei einer höheren wahrgenommenen Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos steigt die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer privaten Rentenversicherung. Für die übrigen Variablen kann aufgrund mangelnder Signifikanz kein Zusammenhang zur Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Rentenversicherung angenommen werden.
Tab.
2 stellt zudem die Ergebnisse für das logistische Regressionsmodell bezüglich des Abschlusses einer
Rechtsschutzversicherung dar, die einen Einfluss der Ausprägung von Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit zeigen.
Eine hohe Ausprägung der Persönlichkeitseigenschaft Verträglichkeit senkt die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Rechtsschutzversicherung. Die Kooperationsbereitschaft und Nachgiebigkeit von Personen mit hohen Verträglichkeitswerten (vgl. Borkenau und Ostendorf
1989, S. 41) könnte der Grund für dieses Ergebnis sein. Verträgliche Personen geraten weniger häufig in Auseinandersetzungen und versuchen eher diese zu schlichten als ihre Meinung durchzusetzen. Deshalb könnte der Nutzen einer Rechtsschutzversicherung durch Personen mit einer hohen Ausprägung von Verträglichkeit als gering bewertet werden, was zu einer Entscheidung gegen den Abschluss führt. Eine hohe Ausprägung der Dimension Gewissenhaftigkeit führt dagegen zu einer Steigerung der Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Rechtsschutzversicherung. Gewissenhafte Personen sind diszipliniert, penibel, ordentlich und besitzen eine hohe Selbstkontrolle (vgl. Lauriola und Weller
2018, S. 19; vgl. Borkenau und Ostendorf
2008, S. 7; Schuler und Höft
2004, S. 304). Diese Eigenschaften könnten dazu führen, dass gewissenhafte Personen eine Rechtsschutzversicherung abschließen, um entweder Ordnung und Recht durchzusetzen oder um sich gegen ungerechtfertigte Anschuldigungen zu verteidigen. Auch die Sicherung der Kontrolle über Rechtsangelegenheiten, die sich auf alle Lebensbereiche, wie den Beruf, das Wohneigentum oder die Familie, auswirken können, könnte ein Motiv für den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sein. Auch ein höheres Alter führt zu einer Steigerung der Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Rechtsschutzversicherung. Die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Rechtsschutzversicherung wird zudem durch eine höhere Ausprägung der Dimension Extraversion erhöht.
Aus der multiplen Regressionsanalyse ergeben sich die in Tab.
3 dargestellten Werte für die Steigung der Variablen, den y‑Achsenabschnitt und den jeweiligen Signifikanzwert (
p-Wert).
Tab. 3
Multiple Regressionsanalyse Anzahl der Versicherungen. (Quelle: Eigene Erhebung (Signifikanzniveau 5 %))
β1 (Nettoeinkommen) | 0,447 | < 0,0001 |
β2 (Extraversion) | 0,114 | 0,0006 |
β3 (durchschnittliche wahrgenommene Wahrscheinlichkeit) | 0,483 | 0,0007 |
Das Nettoeinkommen, die Ausprägung von Extraversion und die Risikoeinstellung stehen in einem positiven Zusammenhang zu der Anzahl der abgeschlossenen Versicherungen. Steigt das Nettoeinkommen um eine Ausprägung, so steigt die Anzahl der Versicherungen um circa 0,45. Steigt die Ausprägung von Extraversion um eine Einheit, so steigt die Anzahl der Versicherungen um ungefähr 0,11. Bei einer Erhöhung der durchschnittlichen wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit steigt die Anzahl der Versicherungen um circa 0,48. Das Bestimmtheitsmaß zur Beurteilung der globalen Güte dieser Regression beträgt für die Schätzfunktion r2 = 0,2544, das heißt 25,44 % der Varianz der abhängigen Variable, Anzahl der Versicherungen, kann durch die drei unabhängigen Variablen Nettoeinkommen, Extraversion und durchschnittliche wahrgenommene Wahrscheinlichkeit erklärt werden.
Die Untersuchungsergebnisse werden zunächst zusammengefasst, um anschließen die in Abschn. 3.2 aufgestellten Hypothesen zu beurteilen. Bei einer hohen Ausprägung der Dimension Extraversion steigt die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung, einer privaten Rentenversicherung sowie die Anzahl der abgeschlossenen Versicherungen. Eine hohe Ausprägung von Verträglichkeit senkt sowohl die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Unfallversicherung als auch die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Rechtsschutzversicherung. Dagegen erhöht eine hohe Ausprägung von Gewissenhaftigkeit sowohl die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Unfallversicherung als auch einer Rechtsschutzversicherung. Ein größeres Risikobewusstsein erhöht die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer Unfallversicherung. Auch eine höhere wahrgenommene Wahrscheinlichkeit führt zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer privaten Rentenversicherung und zur Erhöhung der Anzahl der abgeschlossenen Versicherungen. Als ökonomische Variable steigert ein höheres Nettogehalt die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer privaten Rentenversicherung und wirkt sich zudem positiv auf die Anzahl der abgeschlossenen Versicherungen aus.
Anhand der dargestellten Ergebnisse, kann H3 (Persönlichkeitseigenschaften haben einen Einfluss auf die Risikosteuerung) für die Dimensionen Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit angenommen werden. Für die Dimensionen Neurotizismus und Offenheit für Erfahrung und für die Ambiguitätstoleranz wurde kein Einfluss auf den Abschluss einer Versicherung festgestellt, weshalb die Hypothese für diese Variablen verworfen werden muss. H4 (Die Risikoidentifikation hat einen Einfluss auf die Risikosteuerung) kann für den Einfluss des Risikobewusstseins auf den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer Unfallversicherung angenommen werden. Bezüglich des Abschlusses einer Rechtsschutz- und privaten Rentenversicherung muss die Hypothese jedoch verworfen werden. H5 (Die Risikobewertung hat einen Einfluss auf die Risikosteuerung) kann für die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, die einen Einfluss auf den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer privaten Rentenversicherung sowie auf die Anzahl der angeschlossenen Versicherungen besitzt, angenommen werden. Das wahrgenommene Schadenausmaß scheint ebenso wie die Risikoeinstellung keinen Einfluss auf den Abschluss einer Versicherung zu besitzen, weshalb die Hypothese für diese beiden Variablen verworfen werden muss.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der multiplen Regressionsanalyse mit der Risikoeinstellung, der durchschnittlich wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit und dem durchschnittlich wahrgenommenen Schadenausmaß als abhängige Variablen dargestellt, um die Hypothesen H1 und H2 zu überprüfen.
Für das Risikobewusstsein als abhängige Variable kann aufgrund der mangelnden Signifikanz der Werte keine Regressionsfunktion modelliert werden. Aus diesem Grund kann kein Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften auf das Risikobewusstsein angenommen werden, weshalb H1 (Persönlichkeitseigenschaften haben einen Einfluss auf die Risikoidentifikation) abzulehnen ist.
Durch die multiple Regressionsanalyse mit der Risikoeinstellung als abhängiger Variable, kann ein Zusammenhang zwischen dem Alter, dem Nettoeinkommen, der Ausprägung von Verträglichkeit, der Ambiguitätstoleranz und der Risikoeinstellung festgestellt werden (Tab.
4).
Tab. 4
Multiple Regressionsanalyse Risikoeinstellung. (Quelle: Eigene Erhebung (Signifikanzniveau 5 %))
\(\beta _{0}\) | 5,432 | < 0,0001 |
β1 (Alter) | −0,072 | 0,0017 |
β2 (Nettoeinkommen) | 0,462 | 0,0030 |
β3 (Verträglichkeit) | −0,173 | < 0,0001 |
β4 (Ambiguitätstoleranz) | 0,088 | < 0,0001 |
Das Alter und die Ausprägung von Verträglichkeit besitzen einen negativen Einfluss auf die Risikoeinstellung. Verträgliche und ältere Probenden weisen eine geringere Risikobereitschaft auf als jüngere Probanden und Probanden mit einem niedrigeren Verträglichkeitswert. Das Nettoeinkommen sowie die Ambiguitätstoleranz stehen in einem positiven Zusammenhang zur Risikoeinstellung. Eine höhere Toleranz gegenüber unklaren Situationen könnte zu einer höheren Risikobereitschaft führen, was den positiven Zusammenhang zwischen der Risikoeinstellung (ein höherer Wert des Items zur Messung der Risikoeinstellung indiziert eine größere Risikobereitschaft) und der Ambiguitätstoleranz erklärt. Ein höheres Nettoeinkommen könnte aufgrund der größeren Risikotragfähigkeit zu einer erhöhten Risikobereitschaft führen. Das Bestimmtheitsmaß zur Beurteilung der globalen Güte dieser Regression beträgt für die Schätzfunktion r2 = 0,3087, das heißt 30,87 % der Varianz der abhängigen Variable, Risikoeinstellung, kann durch die vier unabhängigen Variablen Alter, Nettoeinkommen, Verträglichkeit und Ambiguitätstoleranz erklärt werden.
Anhand des Ergebnisses der Regressionsanalyse für die abhängige Variable „durchschnittlich wahrgenommene Wahrscheinlichkeit“ kann ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung von Extraversion und der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit angenommen werden (Tab.
5).
Tab. 5
Multiple Regressionsanalyse wahrgenommene Wahrscheinlichkeit. (Quelle: Eigene Erhebung (Signifikanzniveau 5 %))
\(\beta _{0}\) | 4,222 | < 0,0001 |
β1 (Extraversion) | −0,05 | 0,0147 |
Es besteht ein negativer Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Dimension Extraversion und der durchschnittlich wahrgenommenen Eintrittswahrscheinlichkeit der untersuchten Risiken. Dieser Zusammenhang kann durch den Optimismus und die positiven Emotionen von Personen mit hoher Extraversions-Ausprägung erklärt werden (vgl. Borkenau und Ostendorf
1989, S. 241; vgl. Lauriola und Weller
2018, S. 17). Durch die emotionale Positivität und die höhere Salienz von Gewinnen im Gegensatz zu Verlusten, könnten negative Ereignisse weniger wahrgenommen werden, wodurch auch deren Wahrscheinlichkeit geringer eingeschätzt werden könnte (vgl. Lauriola und Weller
2018, S. 17; vgl. Benischke et al.
2019, S. 159 f.). Das Bestimmtheitsmaß zur Beurteilung Güte dieser Regression beträgt für die Schätzfunktion r
2 = 0,0486, das heißt 4,86 % der Varianz der abhängigen Variablen, durchschnittlich wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, kann durch die unabhängige Variable Extraversion erklärt werden.
Für die Regressionsanalyse mit dem durchschnittlich wahrgenommenen Schadenausmaß ergibt sich anhand der Ergebnisse ein Zusammenhang zwischen dem Nettoeinkommen, der Ausprägung von Gewissenhaftigkeit und dem durchschnittlich wahrgenommenen Schadenausmaß (Tab.
6).
Tab. 6
Multiple Regressionsanalyse wahrgenommenes Schadenausmaß. (Quelle: Eigene Erhebung (Signifikanzniveau 5 %))
\(\beta _{0}\) | 3,735 | < 0,0001 |
β1 (Nettoeinkommen) | −0,3 | 0,0011 |
β2 (Gewissenhaftigkeit) | 0,076 | 0,0145 |
Die Ausprägung von Gewissenhaftigkeit steht in einem positiven Zusammenhang zum durchschnittlich wahrgenommenen Schadenausmaß. Dies könnte durch die stärkere Verlustaversion sowie die höhere Salienz von Verlusten bei gewissenhaften Personen erklärt werden (vgl. Lauriola und Weller
2018, S. 19 f.). Dadurch könnten Verluste von Personen mit einer hohen Ausprägung von Gewissenhaftigkeit stärker wahrgenommen und auch höher eingeschätzt werden, als von Personen mit einer geringen Ausprägung. Der negative Zusammenhang zwischen dem Nettoeinkommen und dem durchschnittlich wahrgenommenen Schadenausmaß könnte durch den Reflektionseffekt erklärt werden. Individuen beurteilen Ereignisse immer in Bezug auf ihren individuellen Referenzpunkt (vgl. Kahneman und Tversky
1979, S. 268). Ein höheres Nettoeinkommen könnte aufgrund eines unterschiedlichen Referenzpunktes zu einer geringeren Einschätzung des finanziellen Verlustes bei Eintritt des Risikos führen. Das Bestimmtheitsmaß zur Beurteilung der globalen Güte dieser Regression beträgt für die Schätzfunktion r
2 = 0,1009, das heißt 10,09 % der Varianz der abhängigen Variablen, durchschnittliches wahrgenommenes Schadenausmaß, kann durch die zwei unabhängigen Variablen Nettoeinkommen und Gewissenhaftigkeit erklärt werden.
Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass Persönlichkeitseigenschaften die Risikobewertung beeinflussen. Sowohl die Risikoeinstellung, die durchschnittlich wahrgenommene Wahrscheinlichkeit als auch das durchschnittlich wahrgenommene Schadenausmaß weist einen Zusammenhang mit mindestens einer der untersuchten Persönlichkeitseigenschaften auf. Die Risikoeinstellung wird durch die Ausprägung von Verträglichkeit und die Ambiguitätstoleranz beeinflusst. Die durchschnittlich wahrgenommene Wahrscheinlichkeit steht in einem negativen Zusammenhang zur Ausprägung von Extraversion und das durchschnittlich wahrgenommene Schadenausmaß wird durch die Ausprägung von Gewissenhaftigkeit beeinflusst. Anhand dieser Ergebnisse kann H2 (Persönlichkeitseigenschaften haben einen Einfluss auf die Risikobewertung) für alle Variablen der Risikobewertung angenommen werden. Für die Persönlichkeitseigenschaften Neurotizismus und Offenheit für Erfahrung, muss die Hypothese aufgrund des mangelnden Zusammenhangs zur Risikobewertung abgelehnt werden.