1 Motivation und Zielsetzung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Agile Arbeitsweisen
2.2 Wesentliche Kompetenzen für die digitale Transformation
2.3 Organisationale Fähigkeiten in der Kernorganisation
3 Vorgehen und Forschungsmethoden
Standort (Land) | Häufigkeit | Anteil (%) | Branche | Häufigkeit | Anteil (%) | Anzahl Beschäftigte | Häufigkeit | Anteil (%) |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
BR | 44 | 6,7 | Metall | 92 | 14,1 | 1–49 | 120 | 18,3 |
CA | 10 | 1,5 | Chemie & Pharmazie | 70 | 10,7 | 50–249 | 139 | 21,2 |
CN | 74 | 11,3 | Maschinenbau | 50 | 7,6 | 250–999 | 160 | 24,4 |
DE | 51 | 7,8 | Elektroindustrie | 87 | 13,3 | 1000–4999 | 130 | 19,8 |
ES | 30 | 4,6 | Nahrungsmittel | 64 | 9,8 | > 5000 | 106 | 16,2 |
FR | 25 | 3,8 | Textil & Bekleidung | 81 | 12,4 | Gesamt | 655 | 100,0 |
IN | 49 | 7,5 | Fahrzeugbau | 50 | 7,6 | |||
IT | 49 | 7,5 | Gummi und Kunststoff | 23 | 3,5 | |||
JP | 31 | 4,7 | Restl. VG | 138 | 21,1 | |||
KR | 44 | 6,7 | Gesamt | 655 | 100,0 | |||
MX | 51 | 7,8 | ||||||
PL | 59 | 9,0 | ||||||
RU | 47 | 7,2 | ||||||
SE | 12 | 1,8 | ||||||
UK | 36 | 5,5 | ||||||
US | 43 | 6,6 | ||||||
Gesamt | 655 | 100,0 |
1–49 Beschäftigte | 50–249 Beschäftigte | 250–999 Beschäftigte | Mehr als 1000 Beschäftigte | |||
44 % | 36 % | 12 % | 8 % | |||
Herstellung von Metallen und Metallprodukten | Maschinen- und Fahrzeugbau | Herstellung elektrischer Erzeugnisse | Herstellung von Gummi, Kunststoff und Chemie | Herstellung sonstiger Waren | Baubranche | Sonstige |
15 % | 24 % | 21 % | 9 % | 13 % | 7 % | 12 % |
4 Wesentliche Erkenntnisse
4.1 Hürden bei der Nutzung agiler Arbeitsweisen
4.1.1 Hürde 1: Agile Arbeitsweisen werden nicht konsequent genug eingesetzt
Land | Agile Entwicklungsmethoden (%) | Designorientierte Entwicklungsmethoden (%) | Interne digitale Innovationsplattform (%) | Offene digitale Innovationsplattform (%) | Index Methodeneinsatz |
---|---|---|---|---|---|
Gesamt | 70,4 | 79,4 | 80,8 | 74,7 | 0,76 |
China | 87,8 | 93,2 | 90,5 | 91,9 | 0,91 |
Indien | 81,6 | 98,0 | 93,9 | 89,8 | 0,91 |
Mexiko | 86,3 | 88,2 | 94,1 | 82,4 | 0,88 |
Brasilien | 75,0 | 79,6 | 93,2 | 90,9 | 0,85 |
Spanien | 73,3 | 86,7 | 83,3 | 76,7 | 0,8 |
Russland | 78,7 | 87,2 | 83,0 | 70,2 | 0,8 |
Südkorea | 77,3 | 77,3 | 84,1 | 77,3 | 0,79 |
Japan | 67,7 | 83,9 | 80,7 | 80,7 | 0,78 |
USA | 62,8 | 79,1 | 76,7 | 72,1 | 0,73 |
Italien | 69,4 | 71,4 | 77,6 | 69,4 | 0,72 |
England | 66,7 | 75,0 | 77,8 | 69,4 | 0,72 |
Polen | 57,6 | 72,9 | 72,9 | 62,7 | 0,67 |
Frankreich | 56,0 | 60,0 | 60,0 | 60,0 | 0,59 |
Schweden | 41,7 | 83,3 | 50,0 | 50,0 | 0,56 |
Kanada | 40,0 | 60,0 | 60,0 | 60,0 | 0,55 |
Deutschland | 45,1 | 51,0 | 62,8 | 51,0 | 0,52 |
4.1.2 Hürde 2: Das Kundenproblem wird nicht wirklich verstanden
4.1.3 Hürde 3: Es wird auf das perfekte Produkt hingearbeitet und zu spät getestet
4.2 Hürden bei der Identifizierung und Entwicklung der notwendigen Kompetenzen
4.2.1 Hürde 4: Andere und vielfältigere Kompetenzen als für die klassische Produktentwicklung sind gefragt
Schlüsselkompetenz | Beschreibung | Quellenbezüge |
---|---|---|
Unternehmerfähigkeit | ||
Offenheit für Zufälle | Fähigkeit, aus zufälligen Entwicklungen entstehende Chancen und Risiken wahrzunehmen und flexibel in die Entscheidungs- oder Lösungsfindung zu integrieren | |
Denken in Geschäftsmodellen | Fähigkeit, neue Geschäftsmodelle frühzeitig hinsichtlich Kundennutzen, Vermarktungsmöglichkeiten, Verkaufschancen und Ertragspotenzialen einzuschätzen und auf den Markt zu bringen | |
Denken in vernetzten Ökosystemen | Fähigkeit, die Mechanismen und Skaleneffekte von digital vernetzten Systemen (z. B. Plattformen) zu verstehen und in die Lösungsentwicklung einzubringen | |
Initiative | Fähigkeit, Handlungen proaktiv zu beginnen und mutig durchzusetzen | |
Wandlungsfähigkeit | ||
Veränderungsbereitschaft | Fähigkeit, Veränderungen als Lernsituationen zu verstehen, gerne anzugehen und entsprechend zu handeln | |
Kreatives Problemlösen | Fähigkeit, komplexe Probleme zu erkennen, zu analysieren und kreativ zu lösen | Kreative Problemlösekompetenz (Kinkel et al. 2018, 2019); Problemlösungsfähigkeit (Carretero et al. 2017; Ittermann et al. 2015; Kirchherr et al. 2018; acatech 2016; Gebhardt et al. 2015; Erol et al. 2016; Kiesel und Wolpers 2015; Dworschak und Zaiser 2014); Kreativität (Hartmann 2017; Ittermann et al. 2015; Kirchherr et al. 2018); Kreatives Ausgestalten von Neuem (Pfeiffer et al. 2016) |
Begeisterungsfähigkeit für Neues | Fähigkeit, sich selbst für neue Themen zu begeistern sowie andere von einer Idee oder einem neuen Konzept zu überzeugen und zur aktiven Mitarbeit zu motivieren | Neuartiges und anpassungsfähiges Denken (Davies et al. 2011) |
Überblicksfähigkeit | Fähigkeit, das für neue Lösungsansätze relevante Wissen und Trends aus unterschiedlichen Bereichen und Disziplinen im Ganzen zu überblicken und beurteilen zu können | |
Agilfähigkeit | ||
Design-Denken | Fähigkeit, schnell Modelle oder Prototypen neuer Lösungen zu entwerfen, diese auf ihren Lösungsbeitrag zu testen und schrittweise zu verbessern | |
Komplexität beherrschen | Fähigkeit, große Aufgaben in beherrschbare Teilaufgaben zu zerlegen, deren Aufwand treffend abzuschätzen und mit leistbaren Verlusten zu lösen | |
Selbstmanagement und -reflexion | Fähigkeit, eigenverantwortlich zu handeln, vordefinierte Ziele und das eigene Handeln konstruktiv-kritisch zu hinterfragen und aus Fehlern zu lernen | |
Kundenorientierung | Fähigkeit, sich auf externe Kunden einzustellen und deren Probleme und Bedarfe zu verstehen | |
Zusammenarbeitsfähigkeit | ||
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Integrationsfähigkeit | Fähigkeit, mit Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen und Disziplinen erfolgreich zusammenzuarbeiten und integrative, fachübergreifende Lösungen zu entwickeln | Interdisziplinäres Denken und Handeln (acatech 2016); disziplinen- und bereichsübergreifende Kollaboration (Hirsch-Kreinsen 2015; Pfeiffer et al. 2016; Fernandez-Vidal et al. 2022); interdisziplinäre Zusammenarbeit (Kinkel et al. 2016; Gebhardt et al. 2015; VDI und ASME 2015; Roland Berger Strategy Consultants 2014; Dworschak und Zaiser 2014; Prifti et al. 2017); Integrationskompetenz (Kinkel et al. 2018, 2019) |
Netzwerken | Fähigkeit, sich mit den relevanten Akteuren zu vernetzen und frühzeitig Partnerschaften aufzubauen | |
Offene Kommunikation | Fähigkeit und innere Haltung, offen (ohne Zurückhaltung von Informationen) und transparent zu kommunizieren und zu arbeiten | |
Teamarbeit | Fähigkeit, sich im Team selbstverantwortlich zu organisieren und erfolgreich, kritik- und konfliktfähig zusammenzuarbeiten | |
Digitalfähigkeit | ||
Digitales Denken | Fähigkeit, die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Formate und Prozesse für Lösungsansätze sowie ggf. entstehende Programmieraufwendungen einzuschätzen | |
Datenverständnis | Fähigkeit, die zugrunde liegenden Sachverhalte und die Nutzenpotenziale in komplexen Datenmengen zu erkennen und geeignete Analysen anzustoßen oder selbst durchzuführen | Komplexe Datenanalyse (Kirchherr et al. 2018); Datenauswertung und -analyse (acatech 2016; Dworschak und Zaiser 2014; Prifti et al. 2017; Erol et al. 2016; VDI und ASME 2015; Roland Berger Strategy Consultants 2014; Hoberg et al. 2015; Lee et al. 2014); Informations- und Datenkompetenz (Carretero et al. 2017); Verständnis für den Umgang mit Daten (Hartmann 2017); Umgang mit Daten und Veredlung zu neuen Geschäftsmodellansätzen (Pfeiffer et al. 2016); Kompetenzen bei der Analyse komplexer Daten (Kinkel et al. 2016) |
IT-Sicherheit, -Recht und Datenschutz | Fähigkeit, Vorgaben und den Stand des Wissens zu IT-Sicherheit, IT-Recht und Datenschutz zu verfolgen und bei der Lösungsgestaltung zu beachten | Kompetenzen in der IT- und Datensicherheit (Kinkel et al. 2016); Wissen um die Risiken der Datensicherheit (Pfeiffer et al. 2016); Verständnis für Algorithmen und sensible Daten (Hartmann 2017); Datensicherheit (Prifti et al. 2017); Datenschutz (acatech 2016); Kenntnisse zu Datenschutz und -sicherheit (Blacke und Schleiermacher 2018) |
Digitale Kollaboration | Fähigkeit zur Interaktion, Zusammenarbeit, Teilen und Beteiligung mittels digitaler und virtueller Technik | Digitale Interaktion (Kirchherr et al. 2018); Interaktion, Teilen und Zusammenarbeit durch digitale Technologien (Carretero et al. 2017); neue Kommunikationskanäle professionell nutzen (Dworschak und Zaiser 2014); Virtuelle Zusammenarbeit (Davies et al. 2011); Neue Medienkompetenz (Davies et al. 2011) |
4.2.2 Hürde 5: Die neu geforderten Teamkompetenzen können nicht einfach klassisch geschult werden
4.3 Organisationale Hürden in der Kernorganisation
4.3.1 Hürde 6: Schwierigkeiten, digitale Geschäftsmodelle in den traditionellen Strukturen bestehender Unternehmen zu entwickeln
-
Der Auswahl geeigneter Teams kommt eine hohe Bedeutung zu. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist die hohe, intrinsische Motivation der Beteiligten und das „Brennen“ des gesamten Teams für die neue Aufgabe. Wichtig ist zudem, dass das Team interdisziplinär aus Software- und Datenspezialisten sowie Generalisten für agiles Management und Kundenbeziehungen zusammengesetzt ist, frei von Abteilungs- und Silodenken agiert und ein hohes Maß an Fähigkeit zur selbstorganisierten Zusammenarbeit besitzt (Beiner et al. 2021; Fernandez-Vidal et al. 2022; Leatherbee und Katila 2020; Warschkow 2021). Die Abstimmungsprozesse im Team können nicht immer konfliktfrei ablaufen. Wichtig erscheint aber ein gemeinsamer Wille zur schnellen Erreichung ambitionierter Ziele, der spürbar ist und gelebt wird.
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Es erscheint wichtig, dass die mit der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle betrauten Teams möglichst autonom mit viel Freiraum agieren können. Dies kann als Ausgründung mit geographischer Separation in räumlicher Distanz erfolgen, kann aber auch organisatorisch integriert als eigenständiges Team aufgebaut werden. Wichtig ist, dass eine klare Trennung vom operativen Geschäft des Kernunternehmens vollzogen wird und so wirklich eine eigenständige Organisation für ein separates Geschäftsmodell (Şimşek et al. 2022) geschaffen wird. Ein hoher Entscheidungs- und Strukturierungsfreiraum konnte als klarer Erfolgsfaktor für das Wirken und der Erfolg der autonomen Teams identifiziert werden (Warschkow 2021).
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Trotz oder gerade wegen des hohen Autonomiegrads der eigenständigen Teams für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle ist ein direkter Draht zum Kernunternehmen empfehlenswert (Warschkow 2021). Prinzipiell ist anzustreben, dass die autonomen Teams über möglichst alle notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen selbst verfügen. Aufgrund des hochdynamischen Umfelds entstehen jedoch immer wieder Situationen, in denen eine direkte Vernetzung des autonomen Teams zur oberen Managementebene der Kernorganisation äußerst hilfreich ist, um flexibel und kreativ auf die notwendigen Ressourcen zugreifen zu können. Dies erfordert freilich einen hohen Unterstützungswillen (commitment) des oberen Managements. Eine solche Mitnutzung des „unfairen Wettbewerbsvorteils“ (Maurya 2012; Nidagundi und Novickis 2017) der Kernorganisation stellt einen wesentlichen Vorteil von autonomen Teams gegenüber eigenständigen Gründungen dar, die diesen flexiblen Ressourcenzugriff nicht organisieren können.
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Der Führungsperson der autonomen Organisation kommt eine wesentliche Rolle für deren Dynamik und Erfolg zu. Aus den Interviews und Analysen schälte sich das Profil eines kreativen Pioniers heraus, der als transformationale Führungsperson im agilen Team (Şimşek et al. 2022; Vatankhah et al. 2023) mutig voranschreitet und das erforderliche Ansehen genießt, um die notwendigen Ressourcen zu beschaffen. Der Führungsstil ist durch ein Arbeiten auf Augenhöhe und weniger durch Hierarchie und Delegation geprägt. Der Pionier lebt Arbeitsstil, Veränderungs- und Risikobereitschaft vor und gibt dem Team die Möglichkeit, eigenständig Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Dies führt im Idealfall zu einer Konstellation, in der die Führungsperson sehr viel Vertrauen in das Team hat und auch sehr viel Vertrauen aus dem Team bekommt (Warschkow 2021).
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Prägend für erfolgreiche autonome Einheiten, die mit der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle betraut sind, ist auch die Entwicklung einer eigenen Identität und Kultur, die andere Werte in den Mittelpunkt stellt als die Kernorganisation. Im Kern steht eine starke Kundenfokussierung und die konsequente Orientierung auf den Mehrwert für den Kunden oder die Gesellschaft, während bei der Kernorganisation eher das eigene Produkt und dessen Verbesserung im Vordergrund steht. Beschrieben wurde dies beispielsweise mit der „Leidenschaft, etwas Positives aus Daten zu generieren“ und so die Welt und „das Leben [zu] verbessern“ (Warschkow 2021, S. 28–29). Diese sinnorientierte Kultur („sense of purpose“, Fernandez-Vidal et al. 2022, S. 35) setzt an der hohen intrinsischen Motivation der Teammitglieder an und ermöglicht so ein hohes Maß an Identifikation mit dem Geschäftsziel. Den Teammitgliedern geht es nicht vorrangig um ihr Gehalt und ökonomisches Auskommen, sondern um Selbstverwirklichung und ihren Anteil an der Vision und Idee der autonomen Organisation (Warschkow 2021, S. 29). Damit fördert eine solche Kultur auch die Resilienz (Heller 2019) der Einzelnen, sich an wichtigen Problemen so lange festzubeißen, bis ein geeigneter Lösungsansatz gefunden wird.